Inside Austria

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Der Podcast über die großen und kleinen Skandale Österreichs

Transkript

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00:00:00: [Musik]

00:00:06: Es sind diese Bilder, die die Staatsanwaltschaft schließlich ermitteln lassen.

00:00:11: Brutal mishandelt Jean Combs, seine damalige Freundin Cassie Ventura.

00:00:15: Es war einer der größten Prozesse der jüngeren Musikgeschichte.

00:00:18: Der frühere Hip-Hop-Star Jean Combs, alias Diddy,

00:00:21: ist in einem Prozess wegen Sexualstraftaten

00:00:24: in den schwerwiegsten Anklagepunkten freigesprochen worden.

00:00:27: Auf der ganzen Welt wurde in den vergangenen Wochen

00:00:30: über den Prozess gegen Jean Combs berichtet.

00:00:32: Die Öffentlichkeit kennt ihn als P. Diddy.

00:00:35: Er ist einer der berühmtesten und mächtigsten Männer im Musikgeschäft.

00:00:39: Es ist zwischendurch mal mega der gewesen,

00:00:41: war mehrere Jahre der reichste Mann im Hip-Hop

00:00:44: und ist auch einer der reichsten Musiker, also über alle Genre sind weg.

00:00:48: Über 120 Männer und Frauen werfen Jean Combs in Zivilklagen vor,

00:00:52: sie misshandelt oder sexuell missbraucht zu haben.

00:00:55: Nun wurde der Musiker in einem Strafprozess in New York

00:00:58: von der Jury schuldig gesprochen und entlastet.

00:01:01: Der 55-Jährige wurde von den Geschworenen

00:01:04: in den schwerwiegendsten Anklagepunkten freigesprochen.

00:01:08: Im Gerichtssaal haben zwei ehemalige Partnerinnen

00:01:11: von Jean Combs gegen den Musiker ausgesagt.

00:01:14: Medienberichten zufolge haben sich aber bis zu 3.000 Menschen

00:01:18: mit Vorwürfen gegen ihn gemeldet.

00:01:20: Auch eine Moderatorin aus Österreich erhebt öffentlich Anschuldigungen.

00:01:25: Opfer, also ich distanziere mich von diesem Wort.

00:01:28: Ich möchte mich so nicht sehen.

00:01:29: Ich bin eine, die dagegen ankämpft, die gegen ihn ankämpft.

00:01:33: Die Journalistin Katy Steininger wirft Jean Combs vor, sie vergewaltigt zu haben.

00:01:38: Jetzt hat sie die Vorwürfe öffentlich gemacht.

00:01:41: Doch dafür schlägt ihr auch Hasse entgegen, vor allem im Netz.

00:01:45: Ich glaube, wir sind in der Zeit des Backlash gegen feministische Anliegen

00:01:50: und speziell auch gegen Frauen, die sexuelle Gewalt thematisieren.

00:01:55: Ich bin Lucia Heisterkamp vom "Spiegel" und ich bin Antonia Raut vom "Standard".

00:01:59: In dieser Folge von "Insert Austria"

00:02:01: erzählen wir die Geschichte einer Österreicherin,

00:02:03: die sich gegen einen der mächtigsten Männer im Musikbusiness zur Wehr setzt.

00:02:07: Dazu sprechen wir mit Katy Steininger selbst

00:02:10: und wir fragen, warum es für Betroffene von sexueller Gewalt so schwierig ist,

00:02:14: solche Vorwürfe öffentlich zu machen.

00:02:26: Janice! Janice! Janice!

00:02:29: Vor dem Bundesgericht des Southern District of New York warten Reporter und Fans.

00:02:36: Die Mutter des angeklagten Jean Combs und seine Kinder verlassen das Gebäude.

00:02:41: Sie werden von Kameras umringt.

00:02:43: Journalisten wollen wissen, wie sie sich nach dem Urteil gegen Jean Combs fühlen.

00:02:47: Die Mutter und die Kinder lächeln.

00:02:50: Vor wenigen Minuten ist dem Saal das Urteil verkündet worden.

00:02:53: Der angeklagte Combs selbst ist danach auf die Knie gefallen

00:02:57: und hat Gott gedankt, so erzählen es Reporter, die dabei waren.

00:03:01: Dabei wurde der Musiker nicht gänzlich freigesprochen.

00:03:04: Sie merken schon, dieser Fall ist kompliziert.

00:03:07: Für alle, die nicht so tief drin stecken,

00:03:09: fassen wir nochmal kurz das Wichtigste über Jean Combs, alias P.T.D. zusammen.

00:03:14: Jean Combs, der hatte angefangen als Puffy oder Puff Daddy,

00:03:17: der war eine ganz zentrale Figur in den 90ern und 2000ern im Hip-Hop

00:03:21: und auch in der Musikbranche, kann man sagen.

00:03:23: Sie hören hier unseren Kollegen Matern von Böselager vom Spiegel.

00:03:27: Er hat den Prozess in New York begleitet, war bei vielen Verhandlungstagen im Gericht dabei.

00:03:32: Darüber hat er mit meiner Kollegin Regina Steffens vom Podcast Shortcut gesprochen.

00:03:36: Die Folge können Sie auch ganz nachhören, stellen wir in die Show-Notes.

00:03:39: Dass der Prozess gegen Jean Combs viel Aufmerksamkeit bekommt,

00:03:43: das war unserem Kollegen Matern von Böselager natürlich klar.

00:03:46: Aber mit so viel Anbrang, gleich an den ersten Prozesstagen, hatte er dann doch nicht gerechnet.

00:03:51: Ich bin mir da sehr früh morgens hingegangen

00:03:53: und habe dann relativ schnell verstanden, dass man da überhaupt keine Chance hat,

00:03:57: reinzukommen, wenn man nicht vor dem Gerichtsgebäude übernachtet.

00:04:00: Der Grund für den Wirbel, Jean Combs ist nicht einfach irgendein Musikhör und Produzent.

00:04:05: Er gehört zu den mächtigsten Männern im Geschäft überhaupt.

00:04:08: Der war selber jetzt nie der beste oder innovativste Rapper,

00:04:12: aber der war halt irrebergabter Produzent und Labelchef

00:04:16: und der hatte halt ein wahnsinnig gutes Händchen dafür, den Hip-Hop von der Straße

00:04:20: sozusagen in den globalen Mainstream zu bringen.

00:04:22: Also der kann man sagen, hat auch so ein bisschen erfunden, diese ANB-Hip-Hop-Fusion.

00:04:28: Unter den Pseudonymen Diddy, P Diddy, Puff Daddy oder zuletzt Love

00:04:34: spielt sie eine entscheidende Rolle bei einigen der steilsten Musikkarrieren der letzten Jahrzehnte.

00:04:39: Er hat viele Großkirche gemacht, egal so als der Kingmaker.

00:04:42: Also ich glaube, er hat Aschwa-Gruß gemacht, er hat auch in Karrieren von Judo mitgemischt

00:04:47: und Justin Bieber auch kurz gecoached.

00:04:49: Und Jean Combs mischt nicht nur in der Musikwelt mit.

00:04:52: Er hat ein eigenes Mode-Label, war jahrelang Markenbotschafter für eine Wodka-Marke.

00:04:57: Er hat Castingshows gehostet und war bei TV-Sendern mit an Bord.

00:05:02: Er ist zwischendurch mal mehr der gewesen, war mehrere Jahre der reichste Mann im Hip-Hop

00:05:08: und ist auch einer der reichsten Musiker, also über alle Genres hinweg.

00:05:12: Jean Combs war in Hollywood außerdem bekannt für seine legendären Parties.

00:05:16: Ich musste auch immer in die erste Zeile im Song "Tick Tock" der Popsängerin Kesha denken.

00:05:21: Millennials kennen sich erinnern.

00:05:26: Partie machen wie P. Diddy, das stand in Hollywood und darüber hinaus für Exzess und Thedonismus.

00:05:33: Zum Beispiel die sogenannten "White Parties", die Jean Combs in den späten 90ern

00:05:38: und in den 2000er Jahren in den Hamptons oder Beverly Hills feiert.

00:05:42: Bei diesen Parties ist das Who is Who aus Musik, Mode und Filmbranche zu Gast.

00:05:47: Von Leonardo DiCaprio bis Beyoncé.

00:05:56: Das sagt Jean Combs selbst mal in einem Interview über seine Parties.

00:06:00: Wenn die Leute wüssten, was dort passiert, dann würde er wohl verhaftet.

00:06:04: So verrückte Dinge würden dort abgehen.

00:06:06: Was damals wie typisches Hip-Hop-Geflexe klingt, das hat heute einen bitteren Beigeschmack.

00:06:12: Denn Jean Combs steht nun tatsächlich unter anderem vor Gericht wegen Dingen,

00:06:16: die bei oder am Rande seiner Parties passiert sein sollen.

00:06:20: Konkret sind es die Vorwürfe von zwei Ex-Partnerinnen von Jean Combs,

00:06:25: auf denen die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen ihn aufbaut.

00:06:28: Es geht darum, dass er halt seine Macht und sein Geld eingesetzt hat,

00:06:31: um diese Frauen halt über Jahre zu Sachen zu zwingen, die sie nicht machen wollten.

00:06:35: Und dass die Leute um ihn herum seine Angestellten und seine Freunde, seine Securities,

00:06:40: ihm dabei geholfen haben und vor allem nie ihnen irgendjemand an irgendwas gehindert hat.

00:06:44: Eine der beiden Frauen ist Cassandra Cassie Ventura.

00:06:47: Sie ist Sängerin und war elf Jahre lang mit Jean Combs zusammen.

00:06:51: Irgendwann soll er angefangen haben, sie beim Sex mit anderen beobachten zu wollen.

00:06:56: Dafür engagierte er Sexarbeiter und drängte Ventura und die anderen Beteiligten dazu,

00:07:02: Drogen zu nehmen, um so über Tage hinweg durchzuhalten.

00:07:05: Freak-offs, so nannten die Beteiligten diese nächtelang Ex-Hesse.

00:07:10: Wenn Ventura nicht mehr konnte oder wollte, soll er sie gedrängt haben, weiterzumachen.

00:07:15: Auch mit Gewalt.

00:07:17: Ein Video aus dem Jahr 2016 von einer Überwachungskamera in einem Hotel in Los Angeles

00:07:22: zeigt, wie brutal der Musiker dabei vorgegangen ist.

00:07:45: Die zweite Zeuge in dem Prozess sagt anonym aus.

00:07:48: Unter dem Pseudonym Jane.

00:07:50: Ihre Erzielungen decken sich weitgehend mit denen von Cassie Ventura.

00:07:54: Jean Combs wollte sie beim Sex mit anderen beobachten,

00:07:57: setzte sie dafür unter Druck und unter Drogen.

00:08:00: Sie soll ihm mehrmals gesagt haben, dass sie das nicht mehr machen wolle.

00:08:03: Ihm sei das egal gewesen.

00:08:05: Neben den beiden Ex-Partnerinnen haben sich Dutzende Frauen und Männer

00:08:09: in Zivilklagen den Vorwürfen angeschlossen.

00:08:11: Sie werfen Jean Combs vor, sie misshandelt und sexuell missbraucht zu haben.

00:08:15: Es gibt in dem Verfahren allerdings ein großes Problem.

00:08:18: Die Vergehen rund um Körperverletzung und sexuelle Übergriffe

00:08:22: liegen schon Jahre zurück und sind verjährt.

00:08:25: Die Bundesstaatsanwaltschaft hat deshalb an einem deutlich komplizierteren Fall gebastelt.

00:08:30: Sie wirft dem Musiker Vergehen vor, die so schwer sind, dass sie noch nicht verjährt sind.

00:08:36: Sexhandel, also Sex-Trafficking, Bandenkriminalität, Racketeering heißt das

00:08:41: und Transport zum Zweck der Prostitution. Das sind so die drei Hauptvorwürfe.

00:08:45: Mit anderen Worten, es geht um organisierte Verbrechen.

00:08:48: Jean Combs soll die Abhängigkeit der Frauen von ihm ausgenutzt haben,

00:08:52: um sie ihrer Freiheit zu brauben und sie sexuell auszubeuten.

00:08:56: Und er soll Assistenten und Mitarbeiter beschäftigt haben,

00:08:59: um seine illegalen Aktivitäten zu ermöglichen.

00:09:02: Auf diesem Aspekt baut der Anklagepunkt der Bandenkriminalität auf,

00:09:06: oder genau gesagt die Bildung einer kriminellen Vereinigung.

00:09:10: Also, dass Jean Combs ein eigenes Netzwerk an Mitarbeitern unterhalten hat,

00:09:14: die nur dazu da waren, den mutmaßlichen Missbrauch zu organisieren und zu vertuschen.

00:09:19: Hinzu kommen eben noch zahlreiche Zivilklagen.

00:09:22: Eine Anwaltskanzlei im texanischen Houston

00:09:24: vertritt zum Beispiel eigenen Angaben zufolge rund 120 Menschen mit Vorwürfen gegen Combs.

00:09:30: Als die Anklage der Bundesstaatsanwaltschaft öffentlich wird, ist klar.

00:09:34: Sollte Jean Combs in allen Punkten schuldig gesprochen werden,

00:09:37: dann hätte ihm eine langjährige Haftstrafe bis zu mehreren Jahrzehnten gedroht.

00:09:42: Allerdings ist es für die Staatsanwaltschaft auch viel schwieriger,

00:09:45: ihm organisierte Verbrechen wie Sexhandel oder Bandenkriminalität nachzuweisen

00:09:49: als einzelne Gewaltvorwürfe und sexuelle Übergriffe.

00:09:53: Mitte Mai dieses Jahres beginnt der Prozess.

00:09:56: Heimlich antisipated trial against Sean Diddy Combs ist jetzt underway.

00:10:00: It was a whirlwind day, a jury was seated.

00:10:03: Opening statements were delivered.

00:10:05: Hey guys, it's Scotty Schwartz.

00:10:06: And tonight we've got a half hour special wrapping up the week

00:10:09: in the Sean Diddy Combs sex trafficking trial work today.

00:10:12: Medien berichten minutiös über das Verfahren.

00:10:15: Am Ende wird Jean Combs tatsächlich nur in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen.

00:10:21: Nämlich dem Transport zum Zweck der Prostitution von Cassandra Ventura und Jane.

00:10:26: Im Grunde ist das ein riesen Sieg für Diddy.

00:10:28: Also die beiden Punkte die er bekommen hat, in denen er schuldig gesprochen wurde,

00:10:32: waren so ein bisschen die am wenigsten schwerwiegesten.

00:10:36: Die schwerwiegsten drei Punkte waren eben diese kriminelle Vereinigung

00:10:40: und die beiden Sexhandel kurz gesagt Vorwürfe.

00:10:43: Und dass er die nicht bekommen hat, das ist ein Riesenerfolg für die Verteiligung

00:10:46: und für ihn auch.

00:10:47: Das erinnert auch zu das Strafmaß erheblich.

00:10:49: Also jetzt könnte er da mit wenigen Jahren rauskommen

00:10:52: und vorher hängen da lebenslänglich über ihm.

00:10:55: Die Strategie von Sean Combs Verteiligung ist offenbar ziemlich gut aufgegangen.

00:11:00: Die sah ungefähr so aus.

00:11:02: Seine Anwälte haben gar nie in Frage gestellt,

00:11:04: dass jemand dann seine Partnerin geschlagen hat,

00:11:07: dass er unfreuer war und sie ausgenutzt und belogen hat.

00:11:11: Aber die Sexpartys, die seien einvernehmlich gewesen.

00:11:15: Das versuchte die Verteiligung mit Textnachrichten zu belegen,

00:11:18: in denen die Frauen den Plänen zustimmten

00:11:21: und die Nächte sogar mitgestalteten.

00:11:23: Die Verteiligung hat eben argumentiert, das ist einfach ein Lifestyle.

00:11:26: Das ist was, was die ja unsere Freundin gerne gemacht haben.

00:11:29: Die Regierung hat so überhaupt kein Recht, sich da ins Schlafzimmer der Leute

00:11:32: irgendwie mitzusetzen und die moralisch zu beurteilen

00:11:34: für das, was sie da machen.

00:11:35: Und es scheint so, als wäre die Jury im Endeffekt diese Argumentation gefolgt.

00:11:39: Was die Gewalt anging, argumentierten seine Anwälte.

00:11:42: Sean Combs sei zwar auf gut deutschen Arschloch,

00:11:45: aber kein Schwerstkrimineller.

00:11:47: Was dabei allerdings außer Acht blieb,

00:11:49: ist das Machtgefälle, in dem sich die Frauen und er befanden.

00:11:52: Und was die Staatsanwaltschaft argumentiert hat,

00:11:54: dass das eben zwang war, dass die Frauen das nicht wollten

00:11:57: und war eigentlich nicht so lange und nicht so viel.

00:11:59: Das hat die Verteiligung halt offenbar erfolgreich untergraben.

00:12:02: Das verhältnismäßig milde Urteil ist für Cassie Ventura,

00:12:11: Jane und die anderen mutmaßlichen Opfer von Sean Combs

00:12:14: ein Schlag ins Gesicht.

00:12:16: Die Verteiligung von Combs folgte einem alten Narrativ,

00:12:19: dass Frauen in missbräuchlichen Beziehungen

00:12:21: eine Mitschuld einräumt.

00:12:23: Warum hat sie ihn denn nicht verlassen?

00:12:25: Wieso sagt sie ihm, dass sie ihn liebt,

00:12:27: wenn die Beziehung doch so toxisch ist?

00:12:29: Wieso sind die Frauen erst jetzt damit herausgerückt?

00:12:32: Kann es wirklich so schlimm gewesen sein?

00:12:35: Der Klassiker, warum erst jetzt,

00:12:37: warum wird er jetzt über die Vorwürfe gesprochen?

00:12:40: Ein weiterer klassischer Vorwurf ist,

00:12:42: dass die Personen berühmt werden wollen,

00:12:44: mit dem das jetzt erst an die Öffentlichkeit geht.

00:12:47: Das ist Anna Wielander.

00:12:49: Sie ist Tradakteurin beim Standard

00:12:51: und recherchiert seit Jahren viel zu Mitufällen,

00:12:53: vor allem in der Kulturbranche.

00:12:55: Sie sagt, die Vorwürfe,

00:12:57: die den Frauen im Fall Sean Combs gemacht werden,

00:13:00: die sind typisch für diese Fälle von Machtmissbrauch.

00:13:03: Und sie sind genau das,

00:13:05: was sich viele der anderen mutmaßlichen Opfer anhören müssen,

00:13:08: die sich mit Zivilklagen gegen Sean Combs werden.

00:13:11: Unter den Hunderten,

00:13:13: die schwere Vorwürfe gegen den Musiker erheben,

00:13:15: ist auch eine Frau aus Österreich.

00:13:17: Die Moderatorin Cathy Steininger

00:13:20: hat Anfang Juni, Puls 24,

00:13:22: ein Interview gegeben

00:13:24: und das erste Mal tatsächlich mit Klarnamen

00:13:27: und vor der Kamera über ihren Fall erzählt.

00:13:29: In diesem Interview

00:13:31: mit dem österreichischen Fernsehsender Puls 24

00:13:33: spricht sie über einen Vorfall mit Sean Combs,

00:13:35: der schon rund 20 Jahre zurücklegt.

00:13:37: Was genau sie ihm vorwirft, dazu kommen wir gleich.

00:13:40: Nach der Ausstrahlung dieses Interviews

00:13:43: habe ich sie auf Instagram kontaktiert

00:13:45: und um ein Gespräch angefragt.

00:13:47: Ein paar Wochen später,

00:13:49: an einem schwülen Juni-Tag,

00:13:51: treffen wir Cathy Steininger

00:13:53: dann tatsächlich im Podcaststudio des Standard.

00:13:55: Also, wenn ich jetzt komplett ehrlich bin,

00:14:03: war es sehr befreiend,

00:14:05: das endlich rauszulassen,

00:14:07: diese Geschichte, die ich mein halbes Leben

00:14:10: mit mir rumgeschleppt habe

00:14:12: und die mich eigentlich seit ich 19 bin belastet hat.

00:14:16: Cathy Steininger ist Anfang 40.

00:14:18: Sie trägt ein gepunktetes Kleid.

00:14:20: Ihre langen blonden Haare

00:14:22: hat sie mit einer Schleife zurückgebunden.

00:14:24: Die Moderatorin wirkt offen, aber auch etwas nervös.

00:14:27: Man merkt ja an,

00:14:29: dass die Zeit nach dem Interview bei Puls 24

00:14:31: sehr belastend für sie gewesen sein muss.

00:14:33: Direkt danach war es für mich,

00:14:35: wenn ich mein halbes Leben was Ungutes im Magen liegen hatte

00:14:39: und das habe ich dann endlich ausgespuckt.

00:14:41: So war das Gefühl.

00:14:42: Was genau Cathy Steininger da im Interview ausgespuckt hat,

00:14:45: das wollten wir im Gespräch mit ihr jetzt nicht nochmal durchgehen.

00:14:49: Es reicht, wenn sie diese traumatischen Erlebnisse einmal erzählt.

00:14:52: Deshalb verwenden wir hier im Podcast auch Ausschnitte

00:14:55: aus dem Gespräch, das sie schon mit Puls 24 geführt hat.

00:14:58: Der Abend, um den es in ihrer Geschichte geht,

00:15:01: findet im Jahr 2000 statt.

00:15:03: Joe Combs gibt damals ein Konzert in Wien.

00:15:06: Cathy Steininger fährt dort als Journalistin hin.

00:15:09: Wir waren beim Konzert

00:15:11: und bei der Aftershow-Party in einer Diskothek in Wien.

00:15:14: Haben wir gewartet und haben geschaut, ob ich ein Interview bekomme.

00:15:17: Cathy Steininger ist zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt.

00:15:20: Für sie ist es eine riesengroße Chance,

00:15:22: einen Weltstar-Interviewen zu können.

00:15:24: Generell war er umzingelt von einer Crew,

00:15:26: und da waren diese Bodyguards.

00:15:28: Und die Bodyguards sind zu ihm gegangen.

00:15:31: Er hat gesagt, da ist eine junge Dame, die möchte ein Interview.

00:15:34: Und dann habe ich gesehen,

00:15:36: er hat zu mir rüber geschaut und hat mich rüber gewunken.

00:15:41: Es war okay.

00:15:43: Als Cathy Steininger mit ihrem Kameramann zu dem Musiker vorgehen will,

00:15:47: da versperren die Bodyguards ihrem Kollegen den Weg.

00:15:50: Nur sie soll mit Jean Combs sprechen dürfen.

00:15:53: Dann habe ich ein bisschen Smalltalk mit ihm geführt

00:15:56: und da hat er mich total schnell gleich mal gefragt,

00:16:01: was ich trinken möchte.

00:16:03: Weil sie ja eigentlich nur ein Interview führen möchte,

00:16:05: lässt sich Cathy Steininger eh schon etwas widerwillig

00:16:08: ein Orangensaft geben.

00:16:10: Combs persönlich holt ihr das Getränk.

00:16:12: Heute glaubt sie, dass in diesem Drink etwas drin gewesen sein könnte,

00:16:15: dass ihre Urteilsfähigkeit getrübt hat.

00:16:18: Anders kann es sich Cathy Steininger schwer erklären,

00:16:21: warum sie sich von dem Musiker überzeugen lässt,

00:16:24: um zu zweit in seinem Tourbus zu führen.

00:16:27: Angeblich, weil es dort leiser ist als in der Diskothek.

00:16:30: Im Bus habe Jean Combs ihr dann erneut ein Getränk angeboten.

00:16:34: So erzählt es Cathy Steininger.

00:16:36: Jetzt sage ich nein und denke mir, what the hell,

00:16:40: aber ich meine, ich war 19 Jahre alt

00:16:43: und der Typ will vorher noch was trinken

00:16:46: und dann machen wir das Interview.

00:16:48: Ich habe mir einfach nichts dabei gedacht.

00:16:51: Mit diesem Getränk muss laut Cathy Steininger

00:16:54: definitiv etwas Betäubendes drin gewesen sein, glaubt sie heute.

00:16:57: Etwas, das dazu führt, dass sie sich nicht mehr wehren kann.

00:17:00: Natürlich sind das jetzt, wie man das nennt,

00:17:03: Erinnerungsfetzen quasi ja.

00:17:05: Also in diesen großen Tourbussen

00:17:07: ist ein Schlafzimmer ganz hinten drinnen.

00:17:10: Dort waren wir und also da ist das passiert.

00:17:15: Ich war aber voll im Bewusstsein,

00:17:18: aber mein Körper hat es zugelassen.

00:17:21: Mehr möchte ich nicht drauf eingehen.

00:17:24: In diesem Tourbus damals, vor rund 20 Jahren,

00:17:28: habe Jean Combs sie vergewaltigt.

00:17:31: So sagt es Cathy Steininger im Interview mit Puls 24.

00:17:35: Aber der jungen Reporterin geht es direkt danach offenbar

00:17:38: wie vielen Betroffenen von sexueller Gewalt.

00:17:41: Sie schämt sich, gibt sich die Schuld an dem Übergriff.

00:17:44: Versucht, das Erlebte zu verdrängen.

00:17:47: Über Jahre hält sie den Vorfall geheim.

00:17:50: Aber dann kommt Cathy Steininger vor ein paar Jahren an einen Punkt,

00:17:54: an dem sie sich einigen Altlasten aus ihrem Leben stellen will.

00:17:57: Also ich habe 2018 eine intensive Therapie gemacht,

00:18:02: wo ich auch die Kindheit aufarbeitet habe.

00:18:04: Und da habe ich einfach sehr viele Leute aus meiner Vergangenheit,

00:18:07: die mich verletzt haben, kontaktiert.

00:18:09: Und da war logischerweise eher dabei,

00:18:11: weil ich auch tatsächlich ein bisschen mein,

00:18:14: mein ganzes Leben lang immer so ein Fragezeichen im Kopf hatte.

00:18:17: So, what happened there?

00:18:19: Im Grunde weiß sie, was passiert ist.

00:18:21: Doch sie will noch einmal mit Jean Combs darüber sprechen.

00:18:24: I slid into his DMs, persönliche Nachricht über Instagram.

00:18:28: Und da habe ich ihn konfrontiert.

00:18:30: Also da habe ich schon mit ihm etwas geschimpft, sagen wir mal so.

00:18:33: Ich wollte eine Entschuldigung haben von ihm.

00:18:36: Ich hätte gern gehabt, dass meine Säle ruhen kann,

00:18:39: dass er sich entschuldigt bei mir.

00:18:41: Jean Combs wird nie auf diese Nachrichten antworten.

00:18:44: Aber die Nachrichten werden nochmal wichtig.

00:18:47: In Kathie Steininger's Umfeld wissen damals nur die wenigsten Vertrauten,

00:18:50: was sie mit ihm erlebt hat.

00:18:52: Eine davon ist ihre Schwester.

00:18:54: Als die Vorbefür aus den USA gegen Jean Combs ans Licht kommen,

00:18:58: ist sie es.

00:18:59: Die Kathie Steininger immer wieder ins Gewissen redet.

00:19:02: Dass sie sich melden soll.

00:19:04: Vor einem Dreivierteljahr tritt Steininger dann schließlich

00:19:06: mit den Anwälten den Kontakt,

00:19:08: die die Opfer von Jean Combs vertreten.

00:19:10: Ich habe mir sofort dieser Anwalt zugesprochen.

00:19:13: Ein Dreivierteljahr habe ich jetzt hinter mir,

00:19:16: mit Stunden langen Zoom-Meetings.

00:19:19: Es gibt auch eine Zeitverschiebung.

00:19:21: Das war sehr anstrengend.

00:19:23: Ich habe wahnsinnig gelitten darunter.

00:19:25: Ich musste dauernd die Geschichte im Detail wieder raufholen

00:19:28: und wieder erleben.

00:19:30: Die Anwälte in den USA befragen Kathie Steininger so detailiert,

00:19:33: weil sie die Österreicherinnen als Zeug ihn vorschlagen wollen.

00:19:36: Unter anderem, weil sie schon 2018 versucht hat,

00:19:39: kommt es zu konfrontieren.

00:19:40: lange bevor sie von den anderen Vorwürfen wissen konnte. Das macht sie mitunter zu einer wichtigen Zeugin,

00:19:46: vor allem weil sie ja die Instagram Nachrichten hat, die das belegen.

00:19:50: Und Katy Steininger will auch unbedingt vor Gericht gegen Shaw Combs aussagen.

00:19:54: Ja, also ich finde, also eine Strafe wäre angemessen.

00:20:00: Also ich war auch auf der Liste bis zum Schluss, also ich habe nur noch gewartet auf den Termin des Abfluges.

00:20:07: Also es war alles schon fix, ich war auf der Liste. Allein wegen dem, weil es hat dann halt einfach auch bewiesen,

00:20:13: dass ich ihn schon vor den ganzen Schlagzeilen in den Medien habe, ich ihn schon konfrontiert, für das, was er mir angetan hat.

00:20:20: Dann entscheidet der Richter in letzter Minute, weil die mutmaßliche Vergewaltigung von Katy Steininger nicht in den USA passiert ist,

00:20:28: will er sie doch nicht als Zeugin einvernehmen. Für die Moderatoren ist es ein Rückschlag.

00:20:33: Denn in Österreich kann Shaw Combs für den Übergriff womöglich nicht mehr belangt werden.

00:20:38: Wann ein Delikt verjährt, hängt immer von der Schwere des Delikts ab?

00:20:48: Das ist Jakob Flügel. Er ist Rechtsredakteur beim Standard und hat sich den Fall von Katy Steininger genau angeschaut.

00:20:55: Er sagt, auf den ersten Blick hieß der Übergriff auf Katy Steininger zu lange her, um in Österreich noch rechtliche Konsequenzen zu haben.

00:21:02: Das war ja auch das Grundproblem beim Prozess gegen Shaw Combs in New York,

00:21:05: dass er wegen vieler Gewaltdelikte gar nicht mehr verurteilt werden kann.

00:21:09: Als Beispiel eine leichte Körperverletzung, also ein blauer Fleck zum Beispiel, verjährt nach drei Jahren,

00:21:15: eine schwere Körperverletzung, Knochenbruch nach fünf Jahren und bei einer Vergewaltigung beträgt die Frist grundsätzlich zehn Jahre

00:21:22: und dann gibt es auch Straftaten, die nie verjähren, wie zum Beispiel Mord.

00:21:25: Trotzdem sagt der Jurist, wann ein Übergriff im Einzelfall wirklich verjährt ist, das kann man so pauschal nicht sagen.

00:21:32: Es gibt nämlich mehrere Gründe, warum eine Verjährung länger daran kam.

00:21:36: Zum Beispiel, wenn es Ermittlungen gibt, also sobald die Behörde Ermittlungen startet, dann läuft die Verjährung nicht mehr weiter.

00:21:43: Das Verbrechen überhaupt verjähren, das hat mehrere Gründe. Einerseits rein praktische.

00:21:48: Die Beweise und Zeugenaussagen werden mit den Jahren nicht unbedingt besser.

00:21:52: Außerdem?

00:21:54: Der Zweck einer Strafe ist es ja vor allem, weitere Straftaten zu verhindern.

00:21:59: Und man sagt, als Gesetzgeber oder als Parlament, wenn es schon zehn Jahre lang keine Straftaten mehr gegeben hat von diesem Täter,

00:22:06: dann fällt dieser Zweck ein bisschen weg.

00:22:09: Es gibt aber auch Fälle, in denen Straftaten auch nach einer Verjährung noch weiter verfolgt werden können.

00:22:14: Dass zum Beispiel ein Täter später ähnliche Delikte noch einmal begeht und auch in dem Fall dritte Verjährung nicht ein.

00:22:21: Genau das könnte jetzt im Fall von Kathi Steininger womöglich relevant werden.

00:22:26: Denn Joghorms wurde ja zumindest in zwei Anklagepunkten in New York schuldig gesprochen.

00:22:31: Die österreichische Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob nochmal Ermittlungen aufgenommen werden.

00:22:36: Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, unser Kollege Jakob Flügel geht nicht davon aus,

00:22:42: dass es in Österreich tatsächlich zu einem Prozess gegen Joghorms kommt.

00:22:46: Theoretisch wäre das denkbar. Praktisch stell ich es mir eher schwierig vor.

00:22:52: Vor allem deshalb, weil er ja auch in den USA eine Gefängnisstrafe wahrscheinlich absitzen wird müssen.

00:22:57: Und dass die USA dann den Gefängnisinsassen an Österreich überstellen und hier einen Prozess durchführen lassen.

00:23:04: Das halte ich zum aktuellen Zeitpunkt für eher unwahrscheinlich.

00:23:08: Das heißt allerdings nicht, dass der mutmaßliche Vorfall in Österreich gar keine Konsequenzen für Joghorms haben muss.

00:23:14: Im Blick Österreich kann ein Einreiseverbot verhängen gegen Drittstaatsangehörige, also zum Beispiel gegen Bürger der USA.

00:23:21: Wenn die, so heißt es im Gesetz, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

00:23:27: In der Praxis betrifft das unter anderem Menschen, die wegen einem schweren Straftat verurteilt worden sind.

00:23:33: Also theoretisch wäre das denkbar.

00:23:41: Steininger sagt, für sie ist es schwer zu ertragen, dass die mutmaßliche Vergewaltigung für Joghorms komplett folgenlos bleiben könnte.

00:23:48: In unserem Gespräch erzählt sie, dass sie bis heute unter den Folgen von dem leidet, was ja als 19-jährige passiert sei.

00:23:55: Und seit sie die Vorwürfe öffentlich gemacht hat, kommt noch ein Neuerdruck hinzu.

00:24:00: Also ich fange mal mit den guten Nachrichten an. Ich habe wirklich hunderte wundervolle Nachrichten bekommen.

00:24:08: Herzerwärmende, wirklich so unterstützende, schöne Nachrichten von sehr vielen Frauen.

00:24:14: Was mich auch gewundert hat, es waren, ich werde natürlich keine Namen nennen,

00:24:18: waren einige prominente, teilweise sehr prominente Frauen dabei, die mir gedacht haben für meinen Mut,

00:24:26: weil sie hatten entweder den Mut nicht oder sie haben Gründe, warum sie nicht darüber reden wollen,

00:24:31: weil es natürlich auch für die Karriere eventuell schwierig wäre.

00:24:35: Doch nicht alle Nachrichten waren sowohlwollend.

00:24:38: Ganz im Gegenteil.

00:24:39: Das ist natürlich nichts für schwachen Nerven, mit sowas an die Öffentlichkeit zu kommen.

00:24:46: Ich muss sagen, damit habe ich eigentlich nicht mit den Negativen, mit den Hatern und mit den Negativen Seiten,

00:24:53: hätte ich jetzt ehrlich gesagt bei meiner Geschichte nicht damit gerechnet.

00:24:58: Cathy Steininger bekommt Nachrichten, die ihr Lügen unterstellen, die sie beschimpfen, fast immer von Fake Profilen.

00:25:04: Wir wollen die Inhalte hier nicht reproduzieren, aber in einem Fall geht die Moderatorin auch rechtlich gegen die Nachrichten vor.

00:25:11: Erst vor kurzem war ein Mann dabei, der hat angefangen, mir regelmäßig nach dem Interview zu schreiben auf Instagram

00:25:21: und hat sich ausgegeben als Millionär.

00:25:24: Und er hat gemeint, er hat meinen Interview gesehen und er hat so viel Mitgefühl.

00:25:30: Ich sah so gebrochen aus, meinte er, und er kann doch so gut mit Frauen umgehen.

00:25:37: Daraufhin hat er mir Prono-Videos mehrere von sich geschickt.

00:25:45: Ja, also anscheinend, um mich zu retraumatisieren, also sexuell zu belästigen, erneut.

00:26:01: Wenn Frauen in der Öffentlichkeit über sexuelle Übergriffe sprechen, dann werden sie oft zur Angriffsfläche.

00:26:08: Sie bekommen Hass und regelrechte Shitstorms ab.

00:26:11: Besonders dann, wenn die mutmaßlichen Täter berühmte Männer mit Macht und Geld sind.

00:26:16: Nicht nur Kati Steininger geht es so.

00:26:18: Unser Kollege Matern von Böselager hat in New York zum Beispiel beobachtet,

00:26:22: dass es vor dem Gerichtsgebäude kaum Solidarisierungen mit den Opfern von Jean Combs gab.

00:26:28: Keine Demos von Feministin, keine Plakate für die Betroffenen.

00:26:32: Für mich war das im Grunde so ein bisschen die Dämmerung der METU-Bewegung dieser Prozess,

00:26:38: weil man gesehen hat, dass alle alten Reflexe wieder da sind.

00:26:41: Und das vor allen Dingen auch in diesem Amerika unserer Tage.

00:26:44: Mitleid nicht mehr so viel zählt wie das Spektakel.

00:26:47: Wenn unser Kollege nämlich dagegen jedes Mal vor dem Gerichtsgebäude sehen konnte,

00:26:51: schaulustige und Influencer, die über den Prozess berichten.

00:26:55: Wobei "Berichten" das falsche Wort ist.

00:26:58: Was sie betreiben, ist eigentlich blanker Voyeurismus.

00:27:01: Also was jeder hatte da die ganze Zeit irgendwie live gestreamt

00:27:04: und versucht mehr Follower zu kriegen

00:27:06: und irgendwelche Details aus dem Gerichtsjahr zu erzählen

00:27:08: und die schliffrigsten Details immer sofort live den Followern zu erzählen.

00:27:12: Das war eine interessante Dynamik irgendwie so,

00:27:16: diese komplette Kommodifizierung vom Leid des Frauen für Social Media Cloud.

00:27:24: Es gab in den vergangenen Jahren einige große Fälle,

00:27:30: in denen eine ähnliche Dynamik zu beobachten war.

00:27:33: Der Prozess Amber Heard gegen Johnny Depp,

00:27:36: die Vorwürfe gegen den Rammsteinsänger Till Lindemann

00:27:39: oder auch das Verfahren gegen den Fußballspieler Boateng.

00:27:42: In all diesen Fällen wurden die Frauen,

00:27:44: die Gewalt und Übergreife öffentlich gemacht haben, massiv angegriffen.

00:27:48: Gerade im Netz schlug den Opfern wie eben heute auch Kathi Steininger

00:27:52: ein enormer Hass entgegen.

00:27:55: Ich glaube, wir sind in der Zeit des Backlash gegen feministische Anliegen

00:28:00: und speziell auch gegen Frauen, die sexuelle Gewalt thematisieren.

00:28:05: Das ist Ingrid Brodnick, sie ist Journalistin und Buchautorin

00:28:08: und beschäftigt sich mit Hasskampagnen im Netz.

00:28:11: Im Internet, glaube ich, erleben wir zwei unterschiedliche Gruppen.

00:28:14: Das eine sind Leute, die sind anfällig für die Verharmlosungsversuche,

00:28:18: so im Sinne von wenn die Frauen mit ihm zusammen waren,

00:28:21: die wussten ja, worauf sie sich einlassen

00:28:23: war es wirklich so schlimm, war es wirklich so unfreiwillig.

00:28:26: Und das andere ist wirklich diese Menospher,

00:28:28: wo ein Hass auf Frauen geprägt wird.

00:28:31: Das heißt, wo eigentlich Leute Beifall bekommen,

00:28:34: wenn bekannt wird, dass ihre Frauenmishandeln auch Schlimmeres machen.

00:28:39: Aber woher kommt dieser Backlash?

00:28:41: Die Autorin Ingrid Brodnick sagt,

00:28:43: die eine einfache Antwort gibt es natürlich wieder mal nicht.

00:28:46: Zumindest einen Erkläransatz sieht sie aber darin,

00:28:49: dass es für Ministerinnen weltweit immer wieder gelungen ist

00:28:52: auf das Ausmaß von sexualisierter Gewalt aufmerksam zu machen.

00:28:56: Mit Hashtags wie #mitoo oder #nionamenos.

00:28:59: Solche Kampagnen haben ein Bewusstsein dafür geschaffen,

00:29:02: wie viele Frauen von Gewalt betroffen sind.

00:29:05: Und dass die Täter oft unbemerkt und ohne Konsequenzen

00:29:08: mitten in der Gesellschaft leben,

00:29:10: oft sogar in Machtpositionen sind.

00:29:12: Und daraufhin sind in den Jahren danach

00:29:16: speziell dieser Online-Gruppen aktiver geworden,

00:29:19: diese Debatte für sich anders vereinen nehmen wollen.

00:29:22: Die einerseits schnell mal Zweifel wecken,

00:29:24: ob eine Frau da die Wahrheit sagt

00:29:26: oder die noch schlimmere Wertvorstellungen haben.

00:29:28: Ingrid Brodnick spricht hier zum Beispiel von neu rechten Bewegungen

00:29:32: und Mans-Rides-Aktivisten,

00:29:34: die gegen feministische Kampagnen mobilisieren.

00:29:37: Netzwerke, die eben auch als Manosphere bezeichnet werden.

00:29:40: Diese Online-Gruppen stellen auf keinen Fall die Mehrheit der Gesellschaft dar.

00:29:44: Aber sie sind im Netz extrem laut

00:29:47: und versuchen diejenigen, die es wagen,

00:29:49: zum Beispiel über Erlebnisse sexueller Gewalt zu sprechen,

00:29:52: mit allen Mitteln fertig zu machen.

00:29:55: Und das kann schrecklich sein,

00:29:57: weil es ein bisschen so Morddrohungen geht,

00:30:00: sehr viel auch so Character-Assassination,

00:30:02: das heißt einfach Falscheiten oder Behauptungen über die Frau verbreitet werden.

00:30:05: Zwei Muster beobachtet Ingrid Brodnick dabei immer wieder,

00:30:08: mit denen versucht wird, betroffene Frauen zu diskreditieren.

00:30:11: Das eine ist so diese klassische Verharmlosung, Relativierung,

00:30:15: die Frauen in Gewaltbeziehungen erleben.

00:30:17: Na, wenn der so schlimm war, warum warst du dann überhaupt mit ihm zusammen?

00:30:20: Also wo die Komplexität solche Beziehungen auch ausgeblendet wird?

00:30:23: Denn gerade wenn Frauen zum Beispiel finanziell abhängig von Männern sind,

00:30:27: dann bleiben sie oft unfreiwillig in Beziehungen,

00:30:30: selbst wenn ihr Partnergewalt tätig ist.

00:30:32: Außerdem sind Frauen eben nicht immer nur die perfekten Opfer.

00:30:36: Das drehen Antifeministen im Netz dann um

00:30:39: und versuchen den Frauen die Schuld an der Gewalt zu geben.

00:30:42: Zum Beispiel, indem sie den Opfern vorwerfen, sie hätten ihre Partner provoziert.

00:30:46: Und da sieht man auch zum Beispiel,

00:30:48: dass Sexualität bei Männern und Frauen ganz anders verhandelt wird

00:30:51: und auch interpretiert, dass quasi bei Schock Homes,

00:30:54: dass er als cooler Macker da steht bei manchen,

00:30:57: und die Frau aber die eigentlich die Deviant wäre.

00:31:00: Und das sind Seitenstränge, die natürlich,

00:31:03: ich glaube von vielen dann nicht ernst genommen werden,

00:31:05: viele Leute mit Halbwegsverstand schauen drauf und merken,

00:31:08: das ist lächerlich, aber es ist natürlich schrecklich für die Betroffenen,

00:31:11: weil die sowas über sich lesen müssen,

00:31:13: weil die Leute sich auch direkt anschreiben damit.

00:31:15: In der Regel sind es Männer, die mit solchen Kommentaren,

00:31:18: Nachrichten und Aussagen im Netz auffallen,

00:31:20: aber sind zum Teil auch Frauen.

00:31:22: Woher dieser Reflex kommt, Betroffene zu diskreditieren,

00:31:25: darauf hat auch Ingrid Brotnick keine eindeutige Antwort.

00:31:29: Ich habe mit Leuten schon gesprochen über solche Fälle,

00:31:32: die dann das Klein reden,

00:31:35: ich finde oft so aus dieser Sorge,

00:31:38: dass Männer zu schnell angeprangert werden könnten,

00:31:41: mal sehr viel verharmlosen beginnen.

00:31:44: Aus dieser Sorge heraus stellen sich diese Leute

00:31:47: eben erstmal auf die Seite derjenigen, die da angeprangert werden.

00:31:50: Die Angst zu Unrecht beschuldigt zu werden,

00:31:53: ist offenbar größer als die, das einem Opfer nicht geglaubt wird.

00:31:56: Dabei sprechen die Statistiken dagegen.

00:31:59: Denn Falschbehauptungen passieren viel, viel seltener als echte Übergriffe.

00:32:04: In Deutschland liegt der Anteil der Falschbehauptungen

00:32:06: bei sexueller Gewalt zum Beispiel bei 3%.

00:32:09: Anders herum werden über 80% der Sexualdelikte

00:32:12: gar nicht erst zur Anzeige gebracht.

00:32:15: Obwohl jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben

00:32:18: Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt wird.

00:32:21: Rein statistisch gesehen ist es also sehr viel wahrscheinlicher,

00:32:24: dass Frauen die Wahrheit sagen,

00:32:26: wenn sie Gewaltvorwürfe erheben, als dass sie lügen.

00:32:29: Und trotzdem wird ihnen häufig nicht geglaubt.

00:32:32: Und dann gibt es diese zweite und ebene und dies noch schlimmer.

00:32:35: Wir erleben wirklich einen Erstarken der Menospher

00:32:38: mit ganz schrecklichen Geschlechtervorstellungen.

00:32:42: Nämlich wo Gewalt gegenüber Frauen als eine Art Reaktion,

00:32:46: notwendige Haltung ist, weil Frauen das brauchen würden.

00:32:51: Weil sie in Wirklichkeit das wünschen würden,

00:32:53: weil hier der Mann das Rudel übernehmen muss.

00:32:55: Und das kann ein bisschen zu solchen extremeren Zirkeln im Internet reichen,

00:33:00: die das schnell beifahrt klatschen.

00:33:02: Der Influencer Andrew Tate ist da ein besonders drastisches Beispiel.

00:33:06: Ihm werden unter anderem Vergewaltigung und Menschenhandel vorgeworfen.

00:33:09: Auf seinen Social-Media-Accounts verbreitet er Frauenhass.

00:33:13: Es gibt aber auch extrem viele weniger bekannte "Mail-Influencer",

00:33:17: die Videos bei TikTok oder Instagram verbreiten,

00:33:20: in denen sie erklären, wie man Frauen gefügig machen soll.

00:33:23: Und das dritte ist, muss man echt sagen,

00:33:25: es ist auch so, dass wenn Musiker berühmt sind und eine Fanbase haben,

00:33:30: sich manchmal Menschen schwer tun, zu sagen,

00:33:33: "Hey, ich mag diesen Songs, aber das war ein problematisches Verhalten."

00:33:37: Und das ist dann auch sein kann,

00:33:39: dass sie sich so schwer tun mit dieser Ambivalenz,

00:33:41: dass im Zweifelsfall das nicht glauben.

00:33:43: Ich muss an dieser Stelle sagen,

00:33:45: diesen Punkt kann ich sogar irgendwie nachempfinden.

00:33:48: Ich war echt gesagt lange Zeit Fan der Band Rammstein.

00:33:51: Und als die Vorwürfe gegen Till Linemann dann öffentlich wurden,

00:33:55: dann fand ich das richtig schlimm,

00:33:57: weil ich viele der Songs wirklich mag.

00:33:59: Und das eben auszuhalten, dass dieses Songs aber jemand geschrieben hat,

00:34:03: der sich Frauen gegenüber schrecklich verhält,

00:34:05: das macht natürlich keinen Spaß.

00:34:07: Trotzdem würde ich mich heute jetzt nicht mehr als Fan bezeichnen

00:34:10: und Linemann noch auf keinen Fall in Schutz nehmen.

00:34:12: Aber ich bewege mich eben auch in Kreisen,

00:34:15: in denen die allermeisten sein mutmaßliches Fehlverhalten verurteilen.

00:34:19: Das entspricht aber nicht dem allgemeinen politischen Klima.

00:34:22: Es gibt eben ein Backlash nach Mitoo, nach Aufstehen.

00:34:26: Und das eine ist, dass es sicher Menschen unserer Gesellschaft gibt,

00:34:30: die diese Debatte nicht führen wollen,

00:34:32: die sich schwer tun, Frauen zu glauben.

00:34:35: Oder die ein problematisches Geschlechterbild haben.

00:34:39: Hinzu kommt jetzt noch, dass wir ein weltweites Klima haben,

00:34:43: wo sogar ein Mann zum zweiten Mal US-Präsident geworden ist,

00:34:47: von dem eine Aufnahme existiert war, sagt "Grab them by the Pussy".

00:34:52: Also wir erleben Verharmlosungstendenzen, ganz oben vom Weißen Haus herab.

00:34:58: Und das hat auch eine Auswirkung auf Europa,

00:35:01: weil sich die Communities, die genau das wollen, gestärkt fühlen.

00:35:06: Was Ingrid Brottenig allerdings auch sagt,

00:35:08: diese krassen Frauen verachtenden Communities,

00:35:11: die sind vor allem online so laut.

00:35:13: Im Offline-Bereich sehen wir oft weniger Polarisierung.

00:35:17: Der Durchschnitt der Bevölkerung steht oft viel mehr dazwischen.

00:35:20: Also die sind weder die Turbo-Feministinnen noch die Menus für im Internet.

00:35:24: Und das ist eigentlich die größte Chance,

00:35:26: nämlich dass man eher versucht, die, die irgendwo dazwischen stehen,

00:35:29: denen gute Infos zu geben.

00:35:31: Also zum Beispiel über Machtmessbrauch

00:35:33: oder toxische Beziehungsdynamiken aufzuklären.

00:35:36: Was Ingrid Brottenig außerdem Hoffnung macht,

00:35:38: sie sieht nach wie vor Fälle,

00:35:40: in denen die Solidarität mit Frauen übergreifend sehr stark ist.

00:35:44: Das ist zum Beispiel der Fall Giselle Pelicot,

00:35:47: wo es ja weltweit sehr viel Zuspruch gab,

00:35:51: wo auch, glaube ich, viele Leute was gelernt haben.

00:35:54: Zum Beispiel die Scham muss die Seite wechseln.

00:35:57: Und das sieht man, das ist nicht nur in eine Richtung gehend, die Debatte.

00:36:01: Der Unterschied ist vielleicht,

00:36:03: dass im Fall Pelicot das so schnell verständlich war,

00:36:06: wie schrecklich das war

00:36:08: und auch, dass da kein mächtiger Mann angeklagt worden ist.

00:36:11: Und das ist halt das Krasse,

00:36:13: weil was wir sehen ist, mächtige Männer

00:36:15: kommen offensichtlich recht gut durch

00:36:17: oder haben manchmal eine sehr starke Verteidigung.

00:36:20: Wenn ein Mann nicht berühmt ist

00:36:22: und nicht solche Ressourcen hat,

00:36:24: schaut es schon vielleicht ein bisschen anders aus.

00:36:27: Kathy Steininger will sich von dem Hass,

00:36:31: der ihr im Netz entgegenschlägt,

00:36:33: nicht einschüchtern lassen.

00:36:35: Und sie will, wenn rechtlich möglich,

00:36:37: gegen Hassnachrichten und Belästigung online vorgehen.

00:36:40: Da wäre ich mich jetzt, also ich lasse mir das nicht gefallen.

00:36:44: Ich weiß es nicht, aber hoffentlich

00:36:46: kann ich was dagegen tun.

00:36:48: Auf jeden Fall lasse ich mir das nicht mehr gefallen.

00:36:51: Trotz allem ist sie froh,

00:36:55: dass sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen ist.

00:36:58: Ihr Schweigen endlich gebrochen hat.

00:37:00: Für Jean Combs wird am 3. Oktober

00:37:02: das genaue Strafmaß verkündet.

00:37:04: Dabei drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft,

00:37:07: auch wenn rechtliche Expert*innen

00:37:09: von einer deutlich kürzeren Strafe ausgehen.

00:37:11: Parallel laufen zahlreiche Zivilklagen weiter,

00:37:14: die den Musiker finanziell und öffentlich weiter unter Druck setzen dürfen.

00:37:18: Der Fallschau Combs ist nur einer von vielen Fällen weltweit,

00:37:21: in denen mächtige und reiche Männer

00:37:24: frauensystematisch missbraucht haben sollen.

00:37:27: Und der zeigt, wie lange über die mutmaßliche Gewalt geschwiegen wurde.

00:37:31: Doch der Einfluss von Menschen wie Combs,

00:37:33: der hört nicht auf, wenn Frauen beginnen,

00:37:35: über den Missbrauch zu sprechen.

00:37:37: Mit Unterstoßen dann auch Rechtssysteme an ihre Grenzen.

00:37:40: Selbst wenn die Übergriffe gut dokumentiert sind.

00:37:43: Die Leitragenden sind dann genau die Frauen,

00:37:46: die ohnehin schon zuopfern wurden.

00:37:48: Die österreichische Moderatorin Katy Steininger hat aber gezeigt,

00:37:51: dass sie in dieser Rolle nicht verharren müssen.

00:37:54: Sie hat sich zur Wehr gesetzt,

00:37:56: obwohl sie dafür noch mehr zur Angriffsfläche wurde.

00:37:59: Und trotz eines gesellschaftlichen Backlashes gegen feministische Anliegen,

00:38:03: den wir gerade auf der ganzen Welt erleben.

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00:38:51: Alle Links und Infos stehen wie immer auch in den Shownoten zu dieser Folge.

00:38:54: Danke fürs Zuhören und allen,

00:38:56: die auch hinter den Kulissen an diesem Podcast mitwirken.

00:38:58: Das waren diesmal Benjamin Braden,

00:39:00: Daniel Retschitzegger und Christoph Neuwirt.

00:39:02: Ich bin Lucia Heisterkamp, ich bin Antonia Herout.

00:39:05: Wir sagen tschüss und baba.