Inside Austria

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Der Podcast über die großen und kleinen Skandale Österreichs

Transkript

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00:00:00: Im österreichischen Außenministerium brodelt es. Eine Affäre rund um einen Spitzen-Diplomaten

00:00:11: sorgt dort für Schlagzeilen. Der Mann soll über Jahre einen frauenfeindlichen Sadomasoblock

00:00:17: betrieben haben. Inzwischen ist er von seinem Posten als EU-Botschafter zurückgetreten.

00:00:23: Aber hinter den Kulissen ist der Skandal längst noch nicht abgekocht.

00:00:27: Weil offenbar dieser Diplomat seinen Sadomasoblock nicht nur privat geführt, sondern auch während

00:00:33: seiner Arbeitszeit von Dienstgeräten aus. Genau dadurch dürfte eine massive Sicherheitslücke

00:00:39: entstanden sein. Eine Lücke, über die womöglich einer der größten Hacks in der Geschichte

00:00:44: des Außenministeriums möglich wurde. Und damit nicht genug, denn intern sollen diese Vorwürfe

00:00:51: längst bekannt gewesen sein. Trotzdem kam der Diplomat jahrelang ungeschoren davon. Warum? Gab

00:00:58: es ein Netzwerk im Außenministerium, das ihn geschützt hat? Und warum kocht die Affäre

00:01:04: ausgerechnet jetzt hoch, nachdem das Außenministerium im März von der liberalen Beate Meine Reisinger

00:01:10: übernommen wurde? Kann sie sich im ÖVP-dominierten Ministerium überhaupt durchsetzen? Ich bin

00:01:16: Lucia Heisterkamp vom Spiegel. Und ich bin Antonia Raut vom Standard. In dieser Folge

00:01:21: von "Inside Austria" sprechen wir mit zwei Kollegen, die zu dieser Affäre im Außenministerium

00:01:26: recherchiert haben. Thomas Meyer, EU-Korrespondent und leitender Redakteur beim Standard, erklärt

00:01:31: wie viel Macht der Sadomaso-Diplomat hatte und welche Netzwerke im diplomatischen Dienst

00:01:37: der Fall ans Licht bringt. Und mit Fabian Schmidt, er ist leitender Redakteurinvestigativ und

00:01:43: hat sich die angeblichen Sicherheitslücken im Ministerium angesehen. War wirklich ein

00:01:47: Erotik-Block das Einfallstor für einen der größten Heckerangriffe überhaupt?

00:01:52: Thomas, du hast diesen Fall von Anfang an begleitet. Um wen geht's bei diesem Spitzen-Diplomaten

00:02:09: denn jetzt eigentlich? Es geht um den ständigen Vertreter

00:02:12: Österreichs bei der Europäischen Union. So ist sein offizieller Titel, der klingt sehr

00:02:18: kompliziert, sagt aber eben gleichzeitig eigentlich sehr genau aus, um wen es geht und um was es

00:02:25: dabei geht vor allem. Der ständige Vertreter bei der Europäischen Union ist nicht irgendein

00:02:30: Botschafter Österreichs im Ausland, also so wie in Paris, London oder Washington, sondern

00:02:35: es ist der Vertreter der quasi das wichtigste Bindeglied zwischen der österreichischen Bundesregierung

00:02:41: in Wien und den Institutionen der Europäischen Union in Brüssel und den Vertretern der 26

00:02:48: EU-Partnerländer ist, die auch jeweils mit einem ständigen Vertreter in Brüssel vertreten

00:02:54: sind. Das klingt jetzt alles sehr abstrakt und das ganz praktisch zu machen. Was passiert

00:02:59: bei den ständigen Vertretern der Länder in Brüssel? Sie sind sozusagen diejenigen,

00:03:05: die die gesamte europäische Politik für ihre Regierungen, für ihre Regierungschefs, aber

00:03:10: auch für die Ministerien in Brüssel koordinieren, umsetzen, verhandeln. Natürlich hat jedes

00:03:17: einzelne Ministerien über die Minister direkten Zugang zu den Ministerräten zum Beispiel,

00:03:23: aber man muss sich vor Augen führen, dass es praktisch außer der Militärpolitik keinen

00:03:26: Bereich mehr gibt, bei dem nicht die europäische Dimension auch für die nationale Ebene eine

00:03:31: wichtige Rolle spielt und umgekehrt. Und deswegen ist dieser ständige Vertreter in Brüssel,

00:03:36: über den wir entsprechen, so wichtig. Er ist in einer sehr exponierten Position. Er verfügt

00:03:42: über enormes Wissen und Einfluss und Information auch über geheimes Wissen, was also nicht

00:03:48: für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Und deswegen ist dieser Fall so sensibel eigentlich.

00:03:54: Und sag doch mal, was soll dieser mächtige Mann jetzt konkret angestellt haben?

00:03:59: Um so mal sehr allgemein und zurückhaltend zu formulieren, er hat sich Blößen gegeben,

00:04:06: die man sich in dieser Funktion nicht geben sollte. Es gibt mehrere Fehler, die er gemacht

00:04:13: hat. Ich formuliere es einmal so, die zunächst mal aus dem Privatbereich zu kommen scheinen.

00:04:19: Er soll einen Blog betrieben haben und einen pseudonym. Es gibt ja noch immer Leute, die

00:04:23: das bestreiten, aber das scheint ziemlich sicher zu sein. Und in diesem Blog ging es,

00:04:29: um das allgemein zu sagen, um frauenfeindliche Dinge. Und das könnte man sagen, ist zunächst

00:04:34: einmal privat. Aber nun sind nicht nur über diesen Blog, sondern auch über andere eigentlich

00:04:41: nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Dinge des Botschafters Materialien an die Öffentlichkeit

00:04:46: gekommen. Das wurde Medien zugespielt. Es wurde auch Parteien zugespielt. Auch wir

00:04:52: haben diese Informationen bekommen. Und Ende Juli eben ist völlig überraschend dieser

00:04:58: Botschafter aus Brüssel abgezogen worden. Offiziell hat es geheißen, dass er die Außenministerin

00:05:04: Mindler Heisinger um Abberufe und Gebeten habe. Es hat sich dann herausgestellt, dass die

00:05:09: Ministerin nur 48 Stunden vorher überhaupt zum ersten Mal, wie sie sagt, von diesen

00:05:15: Vorwürfen erfahren hat. Also, es liegt nahe, dass sie als Ministerin die Konsequenz gezogen

00:05:20: hat. Und nur zwei Tage später ist das dann in der Kronenseitung gestanden, ohne die Nennung

00:05:26: der Funktion oder des Namens, aber mit sehr bekannten Details aus diesem Blog. Und was

00:05:31: jetzt aber noch sehr wichtig ist, es geht eben nicht nur um diesen Blog, der uns jetzt

00:05:36: in der Aufklärungsarbeit eigentlich weniger interessiert, was die Inhalte betrifft, sondern

00:05:40: dieser Blog soll entstanden sein auf Dienstgeräten, im Außenministerium in Wien zum Teil. Und

00:05:46: es wurden Inhalte bekannt über das Diensthandy des Botschafters in Brüssel. Das lässt sich

00:05:52: nachvollziehen auch anhand von Bilderserien, über die wir verfügen, beziehungsweise SMS-Jets

00:05:58: mit Botschaftern, mit Regierungsangehörigen, mit Mitarbeiter und so weiter. Das ist einmal

00:06:03: grundsätzlich zusammengefasst die Materie, über die wir hier sprechen.

00:06:07: Und wie sind diese ganzen bekannten Informationen überhaupt in die Öffentlichkeit gekommen?

00:06:12: Wie ich schon gesagt habe, das erste, was in die Öffentlichkeit kam, ist, dass ein Botschafter

00:06:17: ein sehr, sehr wichtiger, spitzen Diplomat in einer europäischen Hauptstadt abgerufen

00:06:22: worden ist. Und das ist gleichzeitig in der Kronenseitung bekannt geworden, eben mit Berichten

00:06:28: über Inhalte dieses Blogs. Also es wurde sozusagen ein Skandal medial an die Öffentlichkeit

00:06:33: gespielt, ohne die Hintergründe zu nennen. Sondern es wurde nur bestätigt dann auch

00:06:38: vom Außenministerium, dass der Botschafter tatsächlich abgerufen worden ist. Und das

00:06:43: war ja dann auch der Grund, warum andere Medien und anderem auch wir gesagt haben, wir können

00:06:48: jetzt ja nicht so tun, als wüssten wir von nichts, wir müssen zur Aufgehung beitragen

00:06:52: und wir haben dann eben sehr klar, auch sehr fair, wie ich denke, versucht, die Hintergründe

00:06:59: dessen, was da im Außenministerium passiert, darzustellen.

00:07:02: Bevor diese Informationen in der Kronenseitung standen, hat aber noch ein FPÖ-naher Blog

00:07:07: diese Affäre aufgegriffen, oder?

00:07:09: Genau, der hat sozusagen noch brutaler, ganze Teile dieses Blogs an die Öffentlichkeit

00:07:15: gebracht, hat aber auch vermieden, darauf hinzuweisen, um wen oder um was es überhaupt

00:07:22: geht und welche Status überhaupt geht. Bestätigt wurde das Ganze dann eben durch das schnelle

00:07:27: Handeln der Außenministerin. Und wir haben dann auch Informationen bekommen, dass im Außenministerium

00:07:33: diese Sache schon lange bekannt war, auch nicht nur im Flurfunk, sondern dass es auch

00:07:38: ein Disziplinarverfahren gegeben hat. Da kommen wir dann vielleicht noch dazu. Auf jeden

00:07:41: Fall war klar, hier ging es nicht nur um eine brandaktuelle schnelle Geschichte, sondern

00:07:47: um eine Affäre mit einem sehr langen Vorlauf. Das Überraschende war, wie gesagt, dass die

00:07:51: Außenministerin dabei völlig kalt erwischt wurde, offenbar weder von ihren Beamten noch

00:07:56: von dem Vorgänger Alexander Schallenberg. In irgendeiner Weise darüber informiert oder

00:08:00: gewarnt, dass es bei dieser Stelle in Brüssel ein Problem geben könnte.

00:08:05: Du hast ja schon gesagt, der Diplomat wurde dann abgezogen. Welche Reaktion gab es denn

00:08:10: noch auf die Affäre?

00:08:11: Naja, die Reaktion des Ministeriums war zunächst mal, wir bestätigen zwar den Vorgang, dass

00:08:17: der Botschafter abgezogen ist, aber ansonsten gibt man dazu keinerlei Auskunft. Man hat

00:08:23: sich darauf zurückgezogen, dass das eine private Angelegenheit sei, die da im Hintergrund

00:08:28: laufen und ansonsten gebe weder das Außenministerium über seine Sprecher noch das Kabinett der

00:08:34: Ministerin noch irgendein Beamter zu diesem Fall irgendeine Auskunft. Das war sozusagen

00:08:39: die offizielle Reaktion, aber im Zuge weiterer Berichterstattung hat sich das dann eben

00:08:45: auch entwickelt und es gab dann auch weitere Konsequenzen, auch Informationen. Die nächste

00:08:51: Konsequenz war, dass die nachdem der Standard publiziert hatte, dass es zu dem Fall bereits

00:08:56: im Herbst 2024 ein Disziplinarverfahren gegeben hat, dass die Ministerin den Posten der Sektionschefin

00:09:04: für Personal neu ausgeschrieben hat. Wie sie selbst bestätigt hat, wollte sie damit

00:09:09: ein Zeichen setzen nach außen, wie auch nach innen. Der Fall ist kompliziert, weil die

00:09:14: betreffende Diplomatin eigentlich schon vor eineinhalb Jahren als Botschafterin nach Japan

00:09:20: hätte gehen sollen. Dazu kam es dann nicht, aber das sind sozusagen Details einer diplomatischen

00:09:26: Karriere. Die Frage, die aber aufgedaucht ist, warum wird dieser Posten ausgerechnet

00:09:31: jetzt während dieser Fall aufgedeckt wird, ausgeschrieben. Und die dritte Konsequenz,

00:09:35: die ist eigentlich dann sozusagen noch weitreichender. Ausministerin Mainl Reisinger hat eine Untersuchungskommission

00:09:42: eingesetzt unter der Leitung des früheren Verteidigungsminister Thomas Stalinger. Die

00:09:49: hat sich gerade konstituiert, hat gerade ihr Ziel der Aufklärung im Aufgabengebiet, womit

00:09:55: sie sich beschäftigen werden in den nächsten Wochen definiert und dieser Bericht soll bis

00:10:00: Ende September erstellt werden. Also wir können davon ausgehen, dass es sowohl in der Sache

00:10:06: des Botschafters als auch, was die Sicherheitslücken im Ausministerium betrifft, dann einen Bericht

00:10:13: geben wird, wo dann offiziell auch mehr Klarheit geschaffen wird.

00:10:17: Du hast aber schon angesprochen, dass es intern offenbar schon länger zumindest Getratsche

00:10:22: über diese Vorwürfe gegeben hat. Das Ganze soll also schon so halb publik gewesen sein.

00:10:27: Was wissen wir denn darüber?

00:10:28: Also nach unserem Wissen hat es nicht nur Getratsche gegeben, das gab es auch, den

00:10:33: sogenannten Flurfung, was ja nicht ungewöhnlich ist bei einem Ministerium, das so viel Kommunikation

00:10:39: rund um die Welt betreibt, sondern es gab es ja wohl auch Fakten. Also die Einsetzung

00:10:44: dieser Disziplinar-Kommission im Herbst 2024 ist ja nicht erfolgt, weil es Getratsche gegeben

00:10:51: hat, sondern es gab ganz konkrete Hinweise darauf, was dieser Botschafter gemacht hat

00:10:57: und dass es dabei ein Sicherheitsproblem gab. Warum diese Disziplinar-Kommission unter

00:11:02: der Leitung der Personalchefin nur zu einer Rüge gekommen ist als Konsequenz, aber

00:11:09: der Mann dann ganz normal an seinen Posten weitergearbeitet hat, das muss geklärt werden.

00:11:14: Das ist aus unserer Sicht ungewöhnlich, weil das einfach komme ich zurück zu dem, was

00:11:19: ich am Anfang gesagt habe, ja nicht unerheblich ist für ein diplomatischen Dienst. Ein Botschafter,

00:11:24: der sich solche Blößen gibt, ist potenziell in dieser Exponiertheit, in der er arbeitet,

00:11:29: immer Erpressungen ausgesetzt durch ausländische Geheimdienste. So etwas darf schlicht und

00:11:34: einfach nicht passieren, das muss einen diplomatischen Dienst von vornherein höchst alarmieren

00:11:40: und man muss sich überlegen, was das bedeutet. Ich sage damit nicht, dass das passiert ist,

00:11:44: aber man muss sich schon klar sein, das sollte man nicht naiv sein, dass solche Lücken oder

00:11:48: solche Angriffsflächen gar nicht erst geboten werden dürfen. Das hat übrigens ausministerin

00:11:53: Meinl Reisinger auch betont, auch öffentlich gesagt jetzt zuletzt im Sommergespräch, es

00:11:58: dürften die Diplomaten und erst recht spitzen Diplomaten nicht einmal in den Verdacht geraten,

00:12:04: irgendetwas zu tun, was ihrem Amt nicht entspricht. Und das ist, glaube ich, die Vorgabe, um

00:12:10: die es geht. Es müssen hier höhere Standards Gültigkeit haben als nur das, was jetzt dienstrechtlich

00:12:16: hier festgeschrieben ist. Es müssen einwandfreie Persönlichkeiten sein, auf die man sich verlassen

00:12:21: kann. Letztendlich läuft es auf eine Vertrauensfrage hinaus. Wem kann ein Minister, wem kann eine

00:12:27: Ministerin, wem kann letztendlich der Bundeskanzler hundertprozentig vertrauen, auf wen kann er

00:12:32: sich hundertprozentig verlassen, wenn er zum Beispiel zu europäischen Räten zu Gipfeln

00:12:37: nach Brüssel reist und das ganz praktisch zu sagen. Der ständige Vertreter in Brüssel

00:12:40: ist der Mann oder die Frau, bis jetzt hat es nur Männer gegeben, der den Bundeskanzler

00:12:45: vom Flughafen abholt, wenn er zu einem Jugendgipfel fährt und im Auto mit ihm die wichtigsten

00:12:50: und allerletzten Dinge bespricht, die beim Treffen der Staats- und Regierungschefs besprochen

00:12:54: werden. Also mit diesem Beispiel allein kann man schon sehen, dass das tatsächlich eine

00:12:59: sehr heikle und exponierte Position ist, von der wir das sprechen. Und da sollte man

00:13:04: eigentlich davon ausgehen, dass das nicht so noschalon irgendwie behandelt wird.

00:13:08: Wenn es eigentlich schon so lange am Brudeln war und das ja auch in der Vergangenheit schon

00:13:13: ein Disziplinarverfahren gab, warum sind die Vorwürfe dann ausgerechnet jetzt nochmal

00:13:17: an die Öffentlichkeit gekommen?

00:13:18: Das hat mit den Publikationen zu tun. Das hat damit zu tun, was ich schon erzählt habe,

00:13:24: dass die Außenministerin den Botschafter eben abgezogen hat. Offiziell hat er aus privaten

00:13:28: Gründen um seinen Rückzug gebeten und dass dadurch eben Bewegung in die ganze Sache

00:13:34: gekommen ist, weil eben Faxen geschaffen wurden. Also ab sofort ist das ja nicht mehr nur

00:13:40: die Sache eines einzelnen Botschafters. Da geht es mittlerweile um die Reputation des

00:13:45: gesamten diplomatischen Dienstes Österreichs im Ausland. Ich kann das einem ganz einfachen

00:13:50: Beispiel erzählen, das mir ein Botschafter erzählt hat. Diese Gerüchte und diese Berichte

00:13:56: verbreiten sich natürlich sehr schnell. Auch die hochserieße Nachrichtenagentur Reuters

00:14:00: hat das weltweit verbreitet und der vollen Nennung des Namens, der Funktion und auch der

00:14:05: Vorwürfe. Und man kann sich vorstellen, dass sowas natürlich im diplomatischen Getriebe

00:14:10: weltweit auch besprochen wird. Dieser Botschafter hat mir erzählt, dass bei einer Sitzung ganz

00:14:16: offen gefragt wurde, ist das Ira? Ist das Ihr Chef? Und ein Mitarbeiter hat dann gesagt,

00:14:22: um Gottes Willen, das sind wir nicht. Und jetzt können Sie sich vorstellen, auch die Botschafter

00:14:27: oder Vertreterinnen in Paris, in Washington, London kommen da zufällig in eine Situation,

00:14:34: die einfach unangenehm ist. Und deswegen ist es meiner Meinung nach so wichtig, dass

00:14:37: diese Sache so schnell wie möglich bereinigt wird, aufgeklärt wird, damit eben da wieder

00:14:42: Verlässlichkeit und Ruhe einkehrt. Und das hätte meiner Meinung nach eigentlich schon

00:14:46: im vergangenen Herbst passieren müssen, als diese ersten Informationen geliefert worden

00:14:52: sind. Und warum ist da nichts passiert? Also hat da irgendjemand eine schützende Hand

00:14:57: über diesen Botschafter gehalten? Das ist eine sehr gute Frage, die ich nicht beantworten

00:15:02: kann. Das müssen die Mitglieder der Disziplinarkommission, das müssen alle, die von diesem

00:15:07: Fall damals gewusst haben, beantworten. Ich gehe davon aus, dass Thomas Starlinger, der

00:15:13: früherer Verdeidungsminister, das versuchen wird, das auch aufzuklären. Er war der frühere

00:15:18: Adjutant übrigens von Bundespräsident Van der Bellen, bevor er in der Regierung von

00:15:24: Kanzlerin Bierlein 2019 zum Verdeidungsminister ernannt wurde. Und er ist bekannt als ein

00:15:31: hochintegrer, direkter, klarer Mann, der, glaube ich, nicht den Fehler machen wird hier zu

00:15:38: taktieren. Er wird die Sachen zusammentragen und er wird einen Bericht erstellen. Und

00:15:42: dann wird man wahrscheinlich auch genauer wissen, was da vor acht Monaten im Hintergrund

00:15:48: passiert ist. Aber es gibt aus journalistischer Sicht, ich habe dazu auch ein Leitartikel

00:15:53: geschrieben, bis hinauf zu Außenminister Alexander Schallenberg oder dem früheren

00:15:57: Außenminister Alexander Schallenberg Aufklärungsbedarf. Er stellt sich die Frage tatsächlich, wer

00:16:02: hat davon gewusst? Hat der Minister selbst davon gewusst? Wer in seinem Kabinett hat

00:16:07: 2024 von diesem Fall gewusst? Und warum wurde nur mit einer Rüge reagiert? Warum hat man

00:16:14: nicht damals schon, um ungemacht zu vermeiden, personelle Konsequenzen gezogen? Dann wäre

00:16:20: es möglicherweise gar nicht dazu gekommen, zu dieser Aufregung, mit der wir heute konfrontiert

00:16:24: sind. D.h. man kann aber sagen, in dem ganzen Skandal geht es eben nicht nur um den Fehltritt

00:16:29: von einem einzelnen Diplomaten, sondern es geht wirklich um Sicherheitslücken. Absolut,

00:16:35: absolut. Der Fehltritt eines Diplomaten würde ich jetzt mal locker sagen, ist eine Privatsache.

00:16:41: Das würde mich auch journalistisch überhaupt nicht interessieren. Jeder Mensch hat das

00:16:45: Recht, in seinem Privatleben zu machen, was er will. Aber Menschen, die für die Regierung

00:16:51: arbeiten, die öffentlich exponiert sind, deren Tätigkeit im Öffentlichen Interesse sind,

00:16:57: die dürfen sich solche Blößen nicht geben. Schlicht und einfach, weil das eben zu den

00:17:01: beschriebenen Konsequenzen führen kann. Und das ist das Problem in diesem Fall. Es geht

00:17:05: um das politische Problem, es geht um das Sicherheitsproblem, es geht darum, dass Österreich als Staat

00:17:12: gegenüber anderen Staaten nicht so, sagen wir, verletzbar sein darf.

00:17:16: Danke dir schon mal an dieser Stelle, Tom. Wir kommen dann noch mal zu dir zurück. Fabian

00:17:21: Schmidt, du bist Leitender Redakteur beim Standard-Investigativ. Und wie siehst du

00:17:27: das denn jetzt? Geht es hier um einen einzelnen Beamten, einen einzelnen Diplomaten, der

00:17:32: sich falsch verhalten hat, einen Skandal verursacht hat? Oder reicht diese Affäre weiter?

00:17:39: Ja, also die große Frage ist, was eigentlich mit den Hinweisen geschehen ist, die offenbar

00:17:45: in den vergangenen Jahren eingetrudelt sind, wo möglich sogar verschiedene Ministerien,

00:17:51: jedenfalls auch im Außenministerium. Und die Frage ist auch, wie das das Disziplinarverfahren

00:17:57: geführt wurde, gegen den Beamten, warum es eben nur mit einer Rüge endete, warum

00:18:04: er da nicht abgezogen wurde. Also da kann man schon fragen, ob er womöglich geschützt

00:18:10: wurde oder milder behandelt wurde als andere, oder warum er eben nicht von dieser pristisch

00:18:17: trächtigen und auch sehr wichtigen, diplomatisch sehr wichtigen Position der EU-Botschaft,

00:18:22: das vielleicht versetzt hat, zu einer weniger heiklen Botschaft. Also diese Fragen kann

00:18:28: man schon stellen und die werfen dann natürlich die Frage nach einem größeren System oder

00:18:33: Seilschaften im Ministerium auf. Genauso, wie man sich schon auch genauer anschauen muss,

00:18:38: wiefern die neue Ministerin Berthe Meinl-Reisinger von den NEOS über den Fall informiert worden

00:18:44: ist und dann auch als erste Medienberichte kamen, wie schnell man dann eigentlich alles

00:18:49: offen gelegt hat. Das heißt, kann man auch davon sprechen, dass dieser Vorfall ein Sicherheitsrisiko

00:18:57: war? Ich glaube schon, dass man davon sprechen kann, also aus mehreren Gründen eigentlich.

00:19:04: Also zunächst einmal ist es ja so, wenn jemand etwas macht, das vielleicht von anderen als

00:19:12: skandalös empfunden wird, kontrovers, wie auch immer, wenn jemand das anonym und heimlich

00:19:18: macht, dann ergibt es natürlich die Möglichkeit, damit erpressbar zu werden. Also das ist ganz

00:19:25: egal, ob es jetzt prinzipiell etwas ist, für das man sich schämen muss. Also das ist gar

00:19:30: keine moralische Bewertung, aber selbst wenn ich jetzt zum Beispiel schwul bin und ich

00:19:36: aute mich aber nicht, sondern lebe das heimlich aus, ergibt sich die Möglichkeit der Pressbarkeit

00:19:43: in spitzen Positionen, weil natürlich genau das das Futter ist für Nachrichtendienste und

00:19:48: Personen erpressen zu können und sogenanntes Kompromat.

00:19:52: zu haben. Also das ist einmal so das erste Sicherheitsrisiko. Das Zweite ist dann, dass

00:19:57: ja SMS-Kursieren, Inhalte vom Handy der EU-Potschaft, das Kursieren, auch Einblicke in dessen Fotogalerie

00:20:06: etc. Das heißt, er war offenbar nicht in der Lage sein Gerät zu schützen oder den Inhalt

00:20:11: des Geräts so zu schützen, dass das nicht kursiert. Das ist offenbar auch im Umfeld mehrer Parteien,

00:20:18: Medien gelandet und so weiter. Das ist natürlich auch sehr unangenehm, wenn da auch Kommunikation

00:20:24: mit anderen Diplomaten oder Diplomaten anderer Länder darunter ist. Und das dritte Sicherheitsrisiko

00:20:32: ergibt sich dann quasi im IT-Bereich durch das Betreiben, womöglich dieses Blogs auf einem

00:20:40: Dienstgerät. Jetzt müssen wir kurz von diesem spezifischen Botschafter etwas weggehen und auf

00:20:46: einen großen Cyberangriff aufs Außenministerium im Jahr 2020 zurückblicken. Was ist damals genau

00:20:53: passiert? Also das war kurz vor Weihnachten 2019. Also da war gerade noch die Übergangsregierung nach

00:21:03: der Ibiza-Affäre. Im Abend der Außenminister war Alexander Schallenberg. Der Botschafter war

00:21:10: damals Kabinettschef von Kanzlerin Brigitte Bierlein. Und da kam es dann über die Weihnachtstage

00:21:17: zu Meldungen, dass im Außenministerium ein großer Hackerangriff passiert sei. Und was wir wissen,

00:21:23: ist, dass der mehrere Monate lang ging, dass sich das Außenministerium sehr schwer tat, da quasi

00:21:30: alle Spuren der Schadsoftware aus den Systemen zu entfernen. Es dürfte eine quasi Operation

00:21:38: zur Wissensbeschaffung gewesen sein. Also es ist nicht bekannt, dass der Daten manipuliert wurden.

00:21:43: Es dürfte viel mehr ausgekundschaftet worden sein, was im Außenministerium vorliegt, Mitarbeiter,

00:21:49: Informationen und so weiter und so fort. Man muss aber dazu sagen, einerseits war die Informationspolitik

00:21:56: des Außenministeriums damals sehr sehr wage. Also bis heute weiß man eigentlich sehr wenig, was

00:22:03: da tatsächlich passiert ist, ob man tatsächlich Täter ausfindig machen konnte, welche Daten da

00:22:09: jetzt genau abgesorgt wurden. All das ist nicht bekannt und ich habe auch mit einigen Parlamentarien

00:22:15: angesprochen, die auch sagen, also auch in Unterausschüssen oder Geheimenausschüssen des

00:22:19: Parlaments sind solche Informationen nicht übermittelt worden. Das heißt, da gibt es noch

00:22:24: viele Fragezeichen dazu und eben auch zur Frage, wie dieser Angriff tatsächlich zustande gekommen

00:22:30: ist. Es hat geheißen, dass quasi ein Weihnachtsgroß, ein digitaler Weihnachtsgroß-Email eines

00:22:37: Mitarbeiter infiziert war und über das Öffnen davon dann weitere Computer im Netzwerk infiziert

00:22:44: wurden mit Schadsoftware. Genau. Aber gibt es denn zumindest Spekulation darüber,

00:22:50: wer damals dahinter gesteckt haben könnte? Also es wurde nie bewiesen, aber es führen

00:22:56: schon viele Spuren Richtung Russland. Also das ist so ein etwas naheliegendes. Wir wissen ja,

00:23:01: dass russische Hacker in ganz Europa Informationen abzusagen versuchen, auch in deutschen Parteien

00:23:10: oder beim Bundestag und so weiter gibt es immer wieder Berichte oder auch französische Regierung

00:23:16: beziehungsweise das Team von Emmanuel Macron damals im Wahlkampf. Also wenn ich jetzt wetten

00:23:22: müsste, dann würde ich vermutlich Richtung Russland gehen, vor allem auch, weil ja damals eben nach dem

00:23:28: Ibiza-Video ein Regierungswechsel anstand, die FPÖ in Opposition geschickt worden war. Also das

00:23:35: ergibt alles schon Sinn. Du hast schon gesagt, dass es mitunter ein digital verseuchter Weihnachtsgroß

00:23:42: gewesen sein könnte, der da diese Schadsoftware ins System geschleust hat, könnte es theoretisch aber

00:23:48: auch dieser Blog des Diplomaten gewesen sein, der da das Einfallstor für die Hacker war oder

00:23:55: zumindest seine Arbeiten daran auf den Dienstgeräten. Also theoretisch ja, also theoretisch und

00:24:02: prinzipiell kann man sagen, dass immer wenn jemand auf einem Dienstgerät, ob Laptop, Handy oder iPad,

00:24:09: wenn jemand da private Logins verwendet, dass das dann ein Sicherheitsrisiko ist. Also wir kennen

00:24:16: das ja aus unserer Arbeit. Wir benutzen quasi das firmenweite E-Mail-System. Ich glaube, ich

00:24:23: verrate da keine Betriebsgeheimnisse, wenn ich sage, dass das Outlook ist, wo wir dann natürlich

00:24:28: unsere Sicherheitsvorgaben haben, wo unsere IT-Abteilung festlegt auch was zum Beispiel passiert,

00:24:34: wenn Anhänge geöffnet werden oder wo potenziell dubiose Absender markiert werden und hinter quasi

00:24:42: einem Spam-Filter landen, wo wir auch sehr vorsichtig sind als Journalist*innen, dass wir,

00:24:48: wenn wir jetzt von einer unbekannten Quelle Informationen zugespült kriegen, dass wir die

00:24:53: dann zum Beispiel in einem System öffnen, das abgekapselt ist vom Rest der Redaktion. Also kurz

00:25:00: um Organisationen haben das strenge Vorgaben und das wird natürlich unterlaufen, wenn man dann

00:25:07: sich privat einloggt bei irgendeinem E-Mail-Anbieter, der natürlich weit aus niedrigere Sicherheitsvorkehrungen

00:25:16: hat, womöglich, weil es sowieso für Privatnutzer herabgesetzt ist oder weil es an sich vielleicht

00:25:22: Wegwerf-Adressen sind mit einer unsicheren Infrastruktur. Das lässt sich so prinzipiell

00:25:27: dazu sagen und die E-Mail-Adresse unter der dieser Blog betrieben wurde, war auf jeden Fall auch

00:25:33: schon Teil eines Datenleaks, wo einfach massenhaft Login-Daten gestohlen wurden und im Internet

00:25:41: kursierten. Also da gibt es diverse Seiten, wo man das checken kann, wo jeder anschauen kann,

00:25:46: ob die eigenen E-Mail-Adressen da darunter sind. Wenn man dann so eine Kombo hat mit E-Mail-Adresse

00:25:52: und dem Passwort, das dafür benutzt wird, das ist für Heikern natürlich auch ein gefundenes

00:25:57: Fressen. Da können Sie dann schauen, ob dieses Passwort dann auch bei anderen offiziellen Logins

00:26:02: benutzt wird zum Beispiel, das nennt man "credential stuffing". Genau, also das ergibt ein weiteres

00:26:09: Sicherheitsrisiko. Aber man muss auch dazu sagen, es gibt jetzt keine Indizien dafür,

00:26:14: dass dieser Blog das ausgelöst hat, aber eben in Kombination damit, dass man ohnehin so wenig

00:26:20: weiß darüber, was da passiert ist damals, ist es, finde ich, gut, wenn man das noch einmal genau

00:26:25: prüft alles. Wird das denn jetzt nochmal geprüft? Also gibt es Möglichkeiten, diesen Heck von damals

00:26:30: 2020 nochmal aufzuklären, oder ist das im Prinzip jetzt vorbei? Ja, es ist eine Prüfungskommission

00:26:37: eingesetzt worden und der Leitung von Thomas Stalinger, der war eben in der Übergangsphase

00:26:43: damals Verteidigungsminister und hat eben im Bundesheer Karriere gemacht, war auch in Brüssel

00:26:49: stationiert als Verbindungsmann zu NATO quasi. Und das ist schon jemanden, der man auch, glaube ich,

00:26:55: vertrauen kann, das seriös und kritisch durchzuführen. So eine Prüfung ist natürlich die Frage,

00:27:02: ob damals eine ordentliche Forensik betrieben wurde und ob quasi die gefundenen Spuren der

00:27:09: Mailware und so weiter noch vorhanden sind, aber da würde ich schon davon ausgehen. Und da gibt es

00:27:14: natürlich eine Reihe von Möglichkeiten, wie man sich das noch einmal anschauen kann. Da kann man

00:27:19: natürlich Indizien finden, die zur Identifizierung beitragen können, des Täters. Also zum Beispiel

00:27:26: in der Vergangenheit gab es dann halt so etwas wie das man gemerkt hat im Code, dass immer wieder

00:27:31: kirilische Schriftzeichen vorkommen oder chinesische oder dass man zum Beispiel die IP-Adressen,

00:27:38: über die die Mailware gesteuert wird, nachvollziehen kann oder aber auch zum Beispiel Uhrzeiten, an

00:27:45: denen quasi die Mailware aktiviert war, wo die Täter aktiv daran gearbeitet haben. Also all das

00:27:52: kann man dann so quasi Indizien rausziehen, aber das große Problem daran ist, dass das natürlich

00:27:58: gute Hacker und vor allem auch staatliche Hacker wissen und daher versuchen das absichtlich zu

00:28:05: verschleiern und natürlich keine Schwierigkeit ist, wenn ich jetzt, sagen wir mal, ein iranischer

00:28:09: Hacker bin, dass ich dann ein paar kirilische Schriftzeichen in den Code habe, um eine falsche

00:28:14: Gefährte zu legen. Also es ist schon sehr schwierig, aber grundsätzlich glaube ich,

00:28:18: das Material ist noch da und es gibt viele Möglichkeiten, das zu untersuchen.

00:28:22: Danke Fabian Schmitz. Tom Meyer, kommen wir zum Außenministerium in Österreich noch ein

00:28:28: bisschen generell. Das war ja jahrelang ÖVP geführt und die Kreise, in denen dieser Botschafter

00:28:33: verkehrt haben dürfte, die waren auf jeden Fall der Volkspartei nahestehend. Gibt es denn da ein

00:28:39: schwarzes Netzwerk, das die Fäden zieht und das vielleicht auch seine eigenen Leute schützt?

00:28:44: Ich würde diese Frage zweigeteilt beantworten. Österreich wäre nicht Österreich, wenn es diese

00:28:51: Netzwerke nicht in allen Bereichen gäbe und zwar nicht nur schwarze, sondern auch rote,

00:28:56: blaue, grüne und in Zukunft wahrscheinlich auch pinke von den Neos. Das ist ganz klar. Also das

00:29:04: allein erreicht noch nicht aus, um sich diesen Fall zu erklären. Die zweite Geschichte ist und das

00:29:10: kommt glaube ich dem eigentlichen Problem näher. Wenn Menschen jahrzehntelang einander persönlich

00:29:16: sehr gut kennen, dann versagen möglicherweise gewisse Kontrollmechanismen, weil man eben,

00:29:22: wenn man jahrzehntelang nebeneinander arbeitet, nebeneinander sitzt, eine gewisse Hämmung hat,

00:29:27: wenn dann ein Groberfehler passiert, daraus auch die Konsequenzen zu ziehen. Dass das

00:29:32: Ausministerium seit 40 Jahren von der ÖVP geführt wird, ist nicht so überraschend. Das wissen

00:29:37: wir alle. Ich glaube, man sollte aber trotzdem Diplomaten nicht von vornherein unterstellen,

00:29:42: dass sie quasi der ÖVP angehören, selbst wenn es eine gewisse Nähe gibt. Ich kenne sehr, sehr

00:29:47: viele Diplomaten, sehr, sehr viele Botschafter. Da wäre ich vorsichtig. Das sind zu einem großen

00:29:52: Teil Spitzenweite, die wirklich sachlich auch gut sind, dass die in ihrem privaten politisches

00:30:00: Verständnis haben. Das ist selbstverständlich, sonst wären sie auch nicht in dem Job, den sie

00:30:04: haben. Aber ich glaube, man kann das nicht nur auf Parteilichkeit zurückführen. Das muss man,

00:30:09: glaube ich, schon sagen. Das gilt nicht nur für ÖVP-Leute, das gilt auch für SPÖ-Naheleute. Wir

00:30:15: reden in erster Linie von Beamten, die im Dienste der Republik stehen. Also man sollte, glaube ich,

00:30:19: bei diesen einfachen pauschalen Verallgemeinerungen, das sollte man vorsichtig sein. Aber natürlich,

00:30:25: wenn man die Verhältnisse kennt, ist klar, dass im Ausministerium die ÖVP besonders stark ist,

00:30:31: so wie halt zum Beispiel die Sozialdemokratie nach Jahrzehntelanger Tätigkeit im Sozialministerium

00:30:36: sehr stark ist. Aber das wäre ja fürchterlich, wenn Parteinähe dazu führt, dass bei solchen

00:30:41: groben Vergehen dann etwas zugedeckt wird, nur aus Parteinähe. Das glaube ich so eigentlich nicht.

00:30:47: Ich glaube, dass das tatsächlich daran liegt, dass gewisse Leute Hemmungen hatten, weitreichende

00:30:54: Konsequenzen zu ziehen. Genaues weiß ich dazu nicht. Ich hoffe, dass die Untersuchungskommission

00:30:59: Stalinger dazu Näheres an den Tag bringen wird, weil die sind ja auch befugt, mit den

00:31:06: betreffenden Leuten Gespräche zu führen. Die müssen auch antworten. Da stoßen wir Journalisten an

00:31:12: gewisse Grenzen, weil Beamte in diesem Fall schlicht und einfach einen Maulkorb haben. Sie dürfen

00:31:18: mit uns offiziell darüber nicht sprechen. Wir haben es ganz am Anfang schon kurz angesprochen. Es gab

00:31:23: ja im Außenministerium im Frühjahr diesen Jahres einen Machtwechsel. Und zwar wird es jetzt seit

00:31:29: März von der Außenministerin Beate Meinl-Reisinger geführt, der Liberalen. Würdest du denn sagen,

00:31:35: dass trotzdem noch die gleichen Leute von der ÖVP im Hintergrund die Fäden ziehen oder gab es da

00:31:40: wirklich einen echten Machtwechsel? Die Frage beantwortet sich von selbst. Die Frau Meinl-Reisinger

00:31:45: ist erst seit wenigen Monaten Außenministerin. Sie hat es zu tun mit dem Apparat, der eingespielt ist,

00:31:51: der auch politisch lange, lange Zeit von der ÖVP geführt worden ist und mit Sicherheit hat auch

00:31:56: das zu Irritationen geführt. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, hätte es diesen politischen

00:32:03: Wechsel an der Spitze des Außenministeriums nicht gegeben, wäre dieser Fall möglicherweise auch

00:32:07: anders gelaufen. Also die Tatsache, dass sie sehr rasch innerhalb von 48 Stunden den Botschafter

00:32:14: abgezogen hat oder ihm ausrichten hat lassen, dass sie gerne möchte, dass er seinen Rücktritt

00:32:19: einreicht. Die Tatsache, dass sie eine Untersuchungskommission einsetzt, die von früheren

00:32:24: Verteidigungsminister Starlinger geführt wird und nicht von einem Außenamtsmenschen. Das zeigt,

00:32:29: dass sie hier eine andere Linie einziehen will und das hat sie auch gesagt. Man muss sie aber auch

00:32:36: zugute halten, dass die Ministerin ausdrücklich bedroht hat, dass sie weiß, dass sie in einem

00:32:41: Ministerium sitzt, in dem auch Spitzenleute sehr, sehr gute und verlässliche Leute arbeiten, auf die

00:32:47: sie sich natürlich als Ministerin auch verlassen muss. Aber ganz generell jetzt vielleicht kann

00:32:52: man so beantworten, es muss jetzt vielen Leuten im Außenministerium klar sein, es ist eine neue

00:32:57: Zeit angebrochen, es gelten nicht mehr die alten Gewohnheiten, die es in den vergangenen Jahren

00:33:02: unter Außenminister Schallenberg und vorher kurz und so weiter gegeben hat. Das scheint mir klar zu

00:33:08: sein. Jetzt betrifft der ganze Skandal aber ja nicht ausschließlich das Außenministerium, weil die

00:33:14: Vorwürfe offenbar auch schon bei einem anderen Ministerium, nämlich dem damals noch vom Minister

00:33:19: Werner Kogler von den Grünen geführten Beamtenministerium angekommen sein dürften. Was hat

00:33:25: es denn damit auf sich und warum hat da offenbar trotzdem niemand eingegriffen? Das ist vorläufig

00:33:31: ungeklärt. Es ist so, man muss da vorsichtig sein, das Beamtenministerium von Werner Kogler ist nicht

00:33:37: involviert in diese Affäre, das spielt sich nur im Außenministerium ab. Was ist im Beamtenministerium

00:33:43: von Kogler oder früher von Kogler? Er ist ja nicht mehr im Amt. Gibt ist eine Behörde, eine

00:33:49: Wesselblauer Behörde, in der man Unregelmäßigkeiten im Staatsapparat melden kann. Diese Behörde

00:33:56: ist im Beamtenministerium angesiedelt, aber muss dazusagen, sie untersteht jetzt nicht Kogler direkt,

00:34:01: sondern sie ist eine unabhängige Behörde. Also insofern ist das ein bisschen ein komplizierter

00:34:06: Ablauf. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum der frühere Vizekanzler Kogler, den ich danach

00:34:12: befragt habe, auch überhaupt keine Ahnung hatte, dass solche Informationen an seinen Ministerien

00:34:18: beziehungsweise diese Stelle herangetragen worden sind. Aber ich denke, nachdem ja jetzt klar ist,

00:34:24: dass im Außenamt schon im Herbst 2024 und nach unserer Information schon früher es

00:34:30: entsprechende Informationen gegeben hat, ist das vielleicht auch nicht mehr so relevant. Es hat

00:34:34: ja diese Distilionärkommission gegeben. Sie kamen nur eben zu einem Ergebnis mit sehr, sehr, sehr

00:34:41: weichen, mit den weichsten Konsequenzen, die im Dienstrecht überhaupt vorgesehen sind, nämlich zu

00:34:46: einem Verweis im Personalakt, zu einer Rüge, aber nicht mehr. Kann man denn insgesamt sagen,

00:34:53: dass dieser ganze Skandal eben zeigt, dass einfach Kontrollmechanismen auf der allerhöchsten

00:34:58: Ebene gefehlt haben? Und wenn ja, wie könnten diese Kontrollmechanismen aussehen? Das wird

00:35:04: Aufgabe sein, dieser Kontrollkommission genau das sehr präzise herauszuarbeiten, um der

00:35:09: Ministerin eben auch etwas Objektives an die Hand zu geben, was sie an den Abläufen in ihrem

00:35:15: Ministerium verändern muss. Es hatte ja gerade in den vergangenen Tagen wieder eine Sicherheitslücke

00:35:21: gegeben, von der 70 Leute, wie Meinl Reisinger gesagt hat, betroffen waren. Es ist nicht sehr

00:35:27: gravierend, es ist dann nicht eingedrungen worden sozusagen in sensible Bereiche des Ministeriums,

00:35:32: da ging es irgendwie um Reisendaten und so weiter, aber schlimm genug. Das heißt, und ich vermute,

00:35:37: das betrifft nicht nur das Ausministerium, sondern auch andere Ministerien. Es muss hier offenbar daran

00:35:41: gearbeitet werden, dass man sich besser absichert gegen Angriffe aus dem Internet über den Einzelfall

00:35:47: hinaus. Aber was das genau ist, das muss jetzt eben erarbeitet werden. Womit aber, glaube ich,

00:35:53: Schluss sein sollte, ist diese Geheimniskremerei und dieser Versuch, das Ganze zu schubladisieren,

00:35:59: um auch das noch zu sagen. Die Darstellung des Außenministeriums und auch im Zuge unserer

00:36:04: Recherchen war eigentlich immer, da ist nichts zu sehen, bitte weitergehen. Es handelt sich um

00:36:09: eine reine private Angelegenheit und Probleme im privaten Bereich, aber da gibt es nichts. Es

00:36:14: gibt auch nichts zu schreiben, nichts aufzuklären. Das war sozusagen der Versuch, diese Geschichte

00:36:19: vom Tisch zu kriegen und das ist nicht gelungen und ich glaube, dass das auch ein sehr, sehr großer

00:36:23: Fehler war. Tom, welches Bild von Österreich bleibt denn da jetzt auf internationalem Paket

00:36:29: zurück? Weil, also dieser Fall hat in Brüssel ja Kreise gezogen. Sind wir da jetzt ein bisschen die

00:36:34: Lachnummer? Da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Österreich ist ein nicht so wichtiges Land, dass

00:36:41: die anderen Partner sich da ständig den Kopf zu brechen, auch ob Wien hier eine Sicherheitslücke

00:36:47: sein könnte oder nicht. Wir leben in einer Zeit, in der im Weißen Haus die wichtigsten europäischen

00:36:52: Stadtchefs und Regierungschefs sich mit Donald Trump und Zelensky treffen, um Frieden in der

00:36:58: Ukraine zu machen. Also dieser Fall Österreich hängt nicht sehr hoch. Man sollte es aber nicht

00:37:04: unterschätzen. Natürlich wird das kommuniziert, natürlich macht man sich darüber Gedanken

00:37:09: und es wird mit Sicherheit auch der eine oder andere Botschafter sich überlegen, wenn er den

00:37:15: österreichischen Vertreter trifft, wer ihm da gegenüber sitzt, ob er sich auf den verlassen kann

00:37:20: oder eben nicht. Aber das ist eben die hohe Kunst der Diplomatie. Da muss für Verlässlichkeit,

00:37:26: für Vertrauen, für Sauberkeit gesorgt werden. Und das sollte, und das hat aber Meinl Reisinger

00:37:31: ohnehin schon öffentlich auch gesagt, das sollte einer verantwortlichen Ministerin zu denken

00:37:36: geben und um es ganz praktisch zu sagen, die Stelle in Brüssel ist jetzt nicht besetzt. Sie ist

00:37:43: provisorisch besetzt durch einen Stellvertreter, aber es müsste natürlich möglichst rasch jemand

00:37:49: als neuerständiger Vertreter installiert werden, damit die Arbeit weitergehen kann. Jetzt ist

00:37:53: Mitte August, wir sind mitten in der Sommerpause, aber später sind zwei, drei Wochen, wenn dann

00:37:57: die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Rede zur Lage der Europäischen Union im

00:38:02: Parlament in Straßburg halten wird, wenn die Verhandlungen zu Ukraine weitergedient sein werden.

00:38:07: Spätestens dann muss Österreich wieder vollhandlungsfähig sein und ich gehe wohl davon aus,

00:38:12: dass man das auch weiß und dass man später im September auch vielleicht mit dem Bericht der

00:38:17: Untersuchungskommission dann Nägel mit Köpfen macht und Lösungen gefunden haben wird. Also

00:38:23: kein bleibender Schaden, hoffentlich für Österreichs Ruf in der Welt der Diplomatie,

00:38:27: aber auf jeden Fall eine Affäre, die innerhalb des Außenministeriums wichtige Fragen aufwirft,

00:38:33: den jetzt noch nachgegangen wird. Vielen Dank fürs Zuhören und vielen Dank euch beiden,

00:38:37: dass ihr da wart. Insider Austria hören Sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen,

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00:39:13: dazu finden Sie auf spiegel.de/standard. Alle Links und Infos stehen wie immer auch in

00:39:18: den Shownoten zu dieser Folge. Danke fürs Zuhören und allen, die auch hinter den Kulissen an

00:39:22: diesen Podcast mitwirken. Es war diesmal vor allem Christoph Neuwirt. Ich bin Lucia Heisterkamp,

00:39:27: ich bin Antonia Raut. Wir sagten Tschüss und Papa.

00:39:38: [Musik]