Der Podcast über die großen und kleinen Skandale Österreichs
00:00:00: Im österreichischen Graz hat es offenbar ein Ammocklauf an einer Schule gegeben.
00:00:09: Dabei sind laut dem Innenministerium mehrere Menschen getötet worden.
00:00:12: Nach dem Ammocklauf am Vormittag an einer Schule in Graz mit zehn Toten herrscht Fassungslosigkeit.
00:00:17: Gegen zehn Uhr heilen Schüsse aus dem Gebäude des Bundesoberstufenreal-Gymnasiums Kurz-Borg in der Grazer Innenstadt.
00:00:24: Am Dienstag, den 10. Juni, stürmt ein junger Mann in ein Schulgebäude in Graz.
00:00:29: Es ist sein ehemaliges Gymnasium. Er feuert mit einer Schrotflinte und einer Pistole um sich.
00:00:36: Tötet zehn Menschen, neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrerin.
00:00:41: Anschließend erschießt der Täter sich selbst.
00:00:44: "Das heutige Tag ist ein dunkler Tag in der Geschichte unseres Landes."
00:00:49: Nicht nur der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker ringt Umfassung.
00:00:53: Das ganze Land steht in Schockstarre.
00:00:55: Und auch ausländische Regierungschefs wie der deutsche Kanzler Friedrich Merz zeigen sich betroffen.
00:01:01: "Wir teilen den Schmerz und die Trauer der Angehörigen.
00:01:06: Ihnen gehört unser ganzes Mitgefühl."
00:01:10: Es ist das wohl verherrnste Massaker in Österreich seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
00:01:15: Und neben der Trauer ist es auch eine Frage, die viele Menschen umtreibt.
00:01:21: Wie ist es möglich, dass ein 21-Jähriger Kurz- und Langwaffe besitzt und die Möglichkeit hat,
00:01:28: entsprechende Munition zu kaufen und damit diese grässliche Unheil anzurichten?
00:01:33: Was Bundespräsident Alexander van der Bellen da anspricht,
00:01:36: der Amokläufer kam ganz legal an Flinte und Pistole.
00:01:41: Ich bin Lucia Heisterkamp vom Spiegel.
00:01:43: Meine Kollegin Antonia Arbeiter-Raut ist gerade im Urlaub.
00:01:46: In dieser Folge von "InsideOstShare" rekonstruiere ich zusammen mit meinen Kolleg*innen den Amoklauf in Graz.
00:01:52: Und ich frage, ob es in Österreich zu einfach ist, an eine Waffe zu kommen.
00:01:57: Vorab noch ein Hinweis, in dieser Folge geht es auch um Suizid.
00:02:12: Wenn Sie selbst betroffen sind oder jemand kennen der Hilfe braucht,
00:02:16: finden Sie Hilfsangebote in den Show-Notes.
00:02:18: Und jetzt geht's los.
00:02:19: Wenn wir diese Podcast-Folge aufzeichnen, dann ist der Amoklauf in Graz gerade erst ein paar Tage her.
00:02:31: Wir wissen noch längst nicht alles über das, was passiert ist, über die Opfer, den Täter.
00:02:36: Was wir sicher wissen, gegen 10 Uhr geht am Dienstag, den 10. Juni,
00:02:41: ein Notruf in einer Polizeistelle in der Stadt Graz ein.
00:02:45: Da haben sich Nachbarn gemeldet, dass die Schütze gehört haben,
00:02:49: dass die Schreie aus der Schule gehört haben.
00:02:52: Das ist Oner Kreuzleitner vom Standard.
00:02:55: Wir erreichen sie per Telefon in Graz, deshalb ist die Tonqualität leider nicht so gut.
00:02:59: Die Schule, von der sie hier spricht, das ist das Bundesoberstufen-Real-Gymnasium Kurzbork.
00:03:05: In der drei Schützengasse, nicht weit vom Hauptbahnhof in Graz entfernt.
00:03:09: Dort fallen um 10 Uhr die Schüsse.
00:03:12: Ich glaube, auf jeden Fall ist die Polizei mit allem, was sie zu bieten hat,
00:03:16: sagen Sie immer, dort hingefahren, mit Polizeihutschrauben unterwegs gewesen,
00:03:20: mit ihren Sondereinheiten.
00:03:23: Hunderte Einsatzkräfte kommen in der drei Schützengasse an.
00:03:26: Auf Videos, die später im Netz kursieren,
00:03:29: sieht man ein graues, langgezogenes Schulgebäude.
00:03:32: Dort ist ein 21-jähriger Mann eingedrungen.
00:03:35: Mit einer Pistole und einer Flinte feuert er auf Schülerinnen und Lehrer.
00:03:40: 17 Minuten dauert es nach dem ersten Notruf, bis die Lage unter Kontrolle gebracht ist.
00:03:46: Sehen, die von Augenzeugen gefilmt wurden, zeigen panisch umherrennende Jugendliche.
00:03:51: Der Täter erschießt zehn Menschen, sieben davon Frauen, drei Männer.
00:03:55: Die meisten sind zwischen 15 und 17 Jahre alt.
00:03:58: Wie diese Schülerinnen und Schüler ausgewählt wurden, ob sie überhaupt ausgewählt wurden
00:04:03: oder ob der Täter einfach nur um sich geschossen hat,
00:04:06: ist man mir dann noch nicht klar, das wird noch von der Polizei ermittelt.
00:04:10: Eine schwer verletzte Lehrerin stirbt im Krankenhaus.
00:04:13: Weitere Verletzte müssen notoperiert werden.
00:04:16: Der Amokläufer begeht nach dem Blutbad auf der Schultoilette Suizid.
00:04:21: Wir wissen bis Radaktionsschluss noch nicht viel über den Täter und seine Motive.
00:04:31: Ja, er war 21 Jahre alt aus Graz, einem Vorort von Graz.
00:04:36: Mein Kollege Fabian Schmidt vom Standard verfolgt für uns die Ermittlung der Behörden,
00:04:40: die er gerade erst begonnen haben.
00:04:41: Klar ist, der Amokläufer war österreichischer Staatsbürger
00:04:45: und er hat die Schule, also das Borg-Gymnasium,
00:04:48: offenbar vor einigen Jahren selbst besucht.
00:04:50: Er war dort sitzen geblieben und hatte die Schule dann abgebrochen.
00:04:53: Es gibt jetzt Berichte, dass er noch in der Berufsschule war,
00:04:57: dass er diverse Jobs bekommen hat, aber dass er quasi Schwierigkeiten hatte,
00:05:03: tatsächlich Fuß zu fassen und das Erwachsenenleben zu beginnen.
00:05:08: Einige ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler berichten über Mobbing-Erfahrung,
00:05:12: die der Täter angeblich während der Schulzeit gemacht hat.
00:05:14: Da gibt es schon so wiederkehrende Erzählungen,
00:05:17: dass er gemobbt wurde oder sich zumindest gemobbt gefühlt hat,
00:05:22: aber gleichzeitig ist es natürlich jetzt nicht so handfestes.
00:05:26: Denn bestätigt wurde das von offizieller Stelle bisher nicht.
00:05:29: Nach dem Amoklauf durchsucht die Polizei auch die Wohnung des Täters in Graz,
00:05:32: wo er mit seiner Mutter gelebt hat.
00:05:34: Die Beamten finden dort einen Abschiedsbrief,
00:05:37: in dem sich der Täter offenbar von seinen Eltern verabschiedet.
00:05:40: Hinweise auf ein mögliches Motiv gibt der Brief aber laut den Behörden nicht.
00:05:45: Außerdem stößt die Polizei in der Wohnung auf eine Rohrbombe,
00:05:48: die allerdings nicht funktionsfähig ist.
00:05:51: Und sie finden auch Pläne für einen Sprengstoffanschlag.
00:05:54: Den wollte der Attentäter offenbar ursprünglich in seiner alten Schule durchführen
00:05:58: und hat die Pläne dann aber wieder verworfen.
00:06:01: Online findet man so gut wie nichts über den Mann.
00:06:04: Er ist wie ein Phantom, kein Instagram-Account, kein TikTok-Profil.
00:06:09: Was wir sonst noch über den Täter wissen, ist, dass er einen Waffenschein hatte.
00:06:13: Für den muss man in Österreich mindestens 21 Jahre alt sein.
00:06:16: Der Amokläufer war ja gerade 21.
00:06:18: Das heißt, er kann ihn vor nicht so langer Zeit gemacht haben.
00:06:22: Kolleg*innen der österreichischen Zeitung Profil haben einen Schützenverein ausfindig gemacht,
00:06:26: wo der Mann trainiert hat.
00:06:28: Laut dem Bericht ist er dann ein paar Monate vor der Tat das erste Mal aufgetaucht.
00:06:32: Ein Vereinsmitglied beschreibt ihn als empathielos
00:06:36: und hat erzählt, dass der Mann nach dem Schießtraining apathisch in der Ecke gesessen hätte.
00:06:41: Was den Täter möglicherweise zu dem Massaker angetrieben hat,
00:06:45: ob er sich irgendwo radikalisiert hat,
00:06:47: all das werden dann hoffentlich die Ermittlungen zeigen, die er gerade erst am Anfang sind.
00:06:51: Also da wird man jetzt schon abwarten müssen, was die Polizei rekonstruiert,
00:06:56: die ja jetzt wahrscheinlich sehr viele Personen einvernehmen wird und befragen wird.
00:07:00: Auch zur Person des Tätors.
00:07:02: Der Amoklauf an der Schule hier in Graz,
00:07:21: dem Borgter Schützengasse ist eine nationale Tragödie, die uns zutiefst erschüttert.
00:07:27: Am Tag des Massakars reist der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker
00:07:32: sofort in die Steiermark nach Graz.
00:07:34: Ich finde, man hört ihm hier wirklich an, wie bestürzt er ist.
00:07:38: Und nicht nur er, das ganze Land ist erschüttert.
00:07:41: Über dem Parlament in Wien, wen die Flaggen auf Halbmast,
00:07:44: eine dreitige Gestarztrauer wird angeordnet.
00:07:47: Sogar Herbert Kickel, der rechtsradikale FPÖ-Chef,
00:07:50: fällt sich mit Äußerung zurück und versucht nicht wie sonst aus dem Blutbad
00:07:54: irgendwelches Kapital zu schlagen.
00:07:56: Gut, man muss auch sagen, der Täter war ein österreichischer Staatsbürger.
00:07:59: Der hatte jetzt keinen ausländischen Namen.
00:08:02: Wehe man die Betroffenheit auch so richtig anhören kann,
00:08:05: das ist die Grazer Bürgermeisterin, Ecke K. von der kommunistischen KPO.
00:08:10: Am Abend nach dem Massaka bricht die im ORF-Interview fast die Stimme.
00:08:15: In Wirklichkeit ist das Schlimmste der Moment gewesen,
00:08:20: wo einfach die Eltern und Angehörigen und Freunde gartet haben.
00:08:26: Ist mein Kind, meine Freundin, darunter oder nicht.
00:08:31: Und das ist unbeschreiblich, da kann man eigentlich keine wirkliche Worte dafür finden.
00:08:39: Das ist einfach nur tief traurig alles.
00:08:43: Auf dem Hauptplatz in Graz kommen am Abend hunderte Menschen zusammen
00:08:49: und legen dort Kerzen ab.
00:08:51: Bis spät in die Nacht stehen die Leute Schlange,
00:08:53: um für die Verletzten des Amoklaufs Blut zu spenden.
00:08:57: Am Tag nach dem Massaka findet in Österreich eine Schweigeminute für die Opfer statt.
00:09:02: Die Leute sind alle wirklich es schüttert.
00:09:10: Wenn man sie fragt, sagen die meisten, es fehlen ihnen eigentlich die Worte,
00:09:14: wieso etwas Schlimmes passieren konnte.
00:09:17: Ich habe mit einer Johnfrau heute vor der Schule gesprochen,
00:09:21: die dort Kerzen aufgestellt hat, deren Freundinnen selber in die Schule gehen,
00:09:26: die, wie sie sagt, das eben miterlebt haben, die da evakuiert wurden,
00:09:31: nicht schaffen können.
00:09:33: Traurig sind natürlich alle.
00:09:35: Unsere Kollegin Ona Kreuzleitner ist in Graz mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen.
00:09:39: Also, es sind alle recht geschockt, was natürlich völlig nachvollziehbar ist,
00:09:45: auch wenn man nicht hier ist, haben einer kann fassen,
00:09:48: dass jemand in eine Schule gegangen ist und dort Schülerinnen und Schüler ungebracht hat.
00:09:55: Viele sagen, die Schule sollte ja eigentlich ein sicherer Ort zum Lernen sein.
00:10:00: Ältere Leute reden darüber, welche Sorgen sie sich um ihre eigenen Kinder und Enkelkinder machen.
00:10:06: Also, die Betroffenheit ist sehr groß.
00:10:09: Der Amoklauf ist der wohl schlimmste in der Geschichte Österreichs.
00:10:13: Ein tödlichen Vorfall an einer Schule, das gab es bisher nur einmal, 1997 in Niederösterreich.
00:10:20: Damals hat ein 15-jähriger Schüler eine Lehrerin erschossen.
00:10:24: Und ausgerechnet die Stadt Graz hat fast auf den Tag genau vor zehn Jahren
00:10:29: schonmal eine furchtbare Amokfahrt erlebt, begangen von einem bosnischdämmigen Mann.
00:10:34: Der Mann ist damals nicht nur durch die engere Innenstadt Graz,
00:10:38: sondern hat eine ziemlich lange Strecke zurückgelegt
00:10:42: und zig Leute schwer verletzt, dreigetötet.
00:10:47: Meine Kollegin Colette Schmidt vom Standard kommt selbst aus Graz.
00:10:50: Sie war damals kurz nach der Amokfahrt direkt am Tatort.
00:10:54: Und auch damals hat sie erlebt, wie die Stadt nach der schrecklichen Tat eng zusammengerückt ist.
00:10:59: Das ist unglaublich wichtig, dieses Gefühl, wir halten zusammen
00:11:02: und das, was Schreckliches passiert, wir finden es alle traurig.
00:11:04: Wir lassen uns jetzt nicht spalten für die Leute, die tatsächlich tolle Opfer zu beklagen haben
00:11:08: in ihrer Familie, in ihrem Umkreis, ist das wahrscheinlich auch natürlich nicht genug.
00:11:12: Aber für eine, ich sage mal, traumatisierte Stadt ist das sehr wichtig.
00:11:16: Und ich habe mich damals auch viel beschäftigt mit anderen europäischen Städten,
00:11:19: wo ähnliches vorgekommen ist, dieses gemeinsam zusammenstehen ist überall wahnsinnig wichtig.
00:11:24: Neben der Trauer ist es aber auch eine politische Frage, die gerade viele in Österreich beschäftigt.
00:11:29: Der Bundespräsident Alexander van der Bellen formuliert es bei seinem Besuch in Graz nach dem Amoklauf so.
00:11:35: Wie ist es möglich, dass ein 21-Jähriger Kurz- und Langwaffe besitzt und die Möglichkeit hat,
00:11:42: entsprechende Munition zu kaufen und damit dieses grässliche Unheil anzurichten?
00:11:47: Wir haben es ja schon erwähnt, der Täter hat sich die Pistole und die Schrotflinte völlig legal besorgt.
00:11:53: Also ich frage mich da schon auch, wie kann das sein?
00:11:57: In Deutschland haben wir ein relativ strenges Waffengesetz.
00:12:00: Wer eine Schusswaffe jeglicher Art kaufen will, der braucht ein Waffenschein.
00:12:04: Und es ist ziemlich schwierig, den zu kriegen.
00:12:06: Ich habe mich also gefragt, wie kommt man in Österreich an eine Waffe?
00:12:10: Dazu muss ich ein bisschen ausholen, dass österreichische Waffenrecht kennt drei verschiedene Waffenkategorien.
00:12:22: Das ist Peter Zellinger vom Standard.
00:12:24: Er ist nicht nur Journalist, sondern auch Sportschütze und besitzt deshalb selbst einige Schusswaffen.
00:12:29: Ganz legal natürlich.
00:12:30: Er kann mir also bestens erklären, wie man an eine Waffe kommt.
00:12:34: Diese drei Kategorien, von denen er hier spricht, das sind A) Kriegswaffen,
00:12:38: die in Österreich natürlich nicht in privaten Händen sind.
00:12:41: Dann gibt es Kategorie B) Da fallen Pistolen wie z.B. Faustfeuerwaffen runter,
00:12:47: von denen auch der Täter eine besessen hat.
00:12:49: Er hatte eine Pistole der Firma Glock.
00:12:52: Um die zu kriegen, muss man den sogenannten Waffenführerschein machen.
00:12:56: Das ist im Prinzip ein Sachkunde-Nachweis, damit man weiß,
00:12:59: okay, die Person kann sicher mit einer Waffe umgehen.
00:13:08: Waffenhändler mit spezielle Ausbildung. Dieser Kurs dauert dann normalerweise so drei bis sechs
00:13:13: Stunden. Danach muss man noch ein Theorie- und Praxistest absolvieren und bekommt den Waffenführerschein,
00:13:18: der dann unbefristet gültig ist. Also wenn ich da an meinen Autoführerschein denke,
00:13:23: das war wirklich hundertmal schwieriger, den zu bekommen. Aber gut, neben diesem Waffenführerschein
00:13:28: braucht man aber auch noch eine Waffenbesitzkarte, um sich Pistolen aus dieser Kategorie B zu besorgen.
00:13:34: Dazu braucht es einen Psychothest, der über mehrere Stunden dauert. Das sind ein paar hundert Fragen.
00:13:41: Dieser Test soll sicherstellen, dass man eben auch psychisch in der Verfassung ist,
00:13:45: mit einer Waffe umzugehen und damit nichts Gefährliches macht. Nur das in einem Multiplit
00:13:51: Choice-Test mit Ankreuzfragen nachzuweisen, ist halt so eine Sache. Unser Kollege hat den Test
00:13:56: auch gemacht. Die Fragen selber, ja, die wirken teilweise sind ein bisschen absurd. Also man muss
00:14:02: jetzt zum Beispiel ankreuzen, ob man schon mal darüber nachgedacht hat, giftige Schlangen zu zähmen.
00:14:08: Okay, alles klar. Oder auch so Dinge wie die Konzentration nuklearer Partikel in der
00:14:14: Erdatmosphäre bereitet mir Sorge. Ja eh. Solche Fragen klingen für mich jetzt erst mal ein bisschen
00:14:22: lächerlich. Hintergrund ist allerdings, dass man damit psychisch kranke Menschen aussehen will.
00:14:27: Das Problem ist nur, auch wer keine psychische Erkrankung hat, kann ja ein potenzieller Gefährnis
00:14:32: verzerrter sein. Der Test beinhaltet dann auch noch ein Gespräch mit einem Waffenpsychologen. Die
00:14:38: Durchfallquote liegt bei 5%. Hat man den Test bestanden, dann muss man außerdem mindestens 21
00:14:45: Jahre alt sein und ein berechtigtes Interesse nachweisen, eine Waffe zu besitzen. Dieses berechtigte
00:14:51: Interesse wird in Österreich aber relativ weit gefasst. Man muss zum Beispiel nicht zwingend Jäger
00:14:57: oder Mitglied im Schützenverein sein, häufig reicht es sogar anzugeben, dass man sich innerhalb
00:15:02: der eigenen Wohnung selbst verteidigen möchte. Der Amokläufer von Graz hatte so eine Waffenbesitzkarte.
00:15:08: Dabei wissen wir inzwischen, dass der Mann bei der Musterung fürs Bundesheer durchgefallen ist,
00:15:14: und zwar mit der Begründung, dass er aus psychologischen Gründen untauglich für den Dienst
00:15:19: an der Waffe sei. Aus Datenschutzgründen darf das Bundesheer solche Informationen aber nicht an
00:15:24: andere Behörden weitergeben. Deshalb hat es bei der Waffenbesitzkarte auch keine Rolle gespielt.
00:15:29: Und so durfte der Mann die Glockpistole auch ganz legal kaufen. Was die Waffenbesitzkarte allerdings
00:15:36: nicht erlaubt ist, die Waffe in der Öffentlichkeit mit sich rumzuführen, also außerhalb zum Beispiel
00:15:41: vom eigenen Grundstück oder vom Schützenverein. Das ist in Österreich nur den Inhabern eines
00:15:46: Waffenpasses vorbehalten und dazu muss man dann schon sehr genau nachweisen, warum man jetzt im
00:15:53: Supermarkt eine Glock mit haben muss. Und das kriegen die wenigsten. Also wenn du jetzt nicht
00:15:59: gerade Polizist bei der Justizwache oder Jäger bist, wird es ganz schwierig.
00:16:05: Es gibt dann noch eine dritte Kategorie C in Österreich und die gilt als besonders umstritten.
00:16:10: Darunter fallen viele Gewehre, Kleinkaliber oder Jagdwaffen, auch die Schrotflinte,
00:16:16: mit der der Amaukläufer geschossen hat. Und für diese Waffen gibt es fast gar keine Voraussetzungen.
00:16:21: Dann reicht es einfach, wenn ich volljährig bin. Da kann ich zum Waffenhändler gehen und sagen,
00:16:25: ich hätte gerne, bis es ich, einen Mauserkarabiner, den kann ich mir dann innerhalb von drei Tagen
00:16:31: mitnehmen. Jeder ab 18 Jahren, der einen Wohnsitz in Österreich und keine Vorstrafen hat, kann
00:16:37: solche Waffen kaufen. Ohne Schulung, ohne psychologischen Test. Also aus deutscher Sicht finde
00:16:44: ich das schon ziemlich krass. In Deutschland ist das Waffen recht viel strenger. Man braucht für alle
00:16:49: Schusswaffen eine Waffenbesitzkarte. Um die zu bekommen, muss man Zuverlässigkeit, Sachkunde
00:16:54: und ein berechtigtes Bedürfnis nachweisen. Dieses berechtigte Bedürfnis wird auch sehr
00:16:59: streng überprüft. Die zuständigen Behörden kontrollieren auch, ob der Anprachsteller ein
00:17:04: sauberes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen kann und fragen sogar bei den
00:17:08: Gesundheitsämtern ab, ob Hinweise auf eine psychische Erkrankung vorliegen. Im internationalen
00:17:14: Vergleich gelten die Anforderungen für die Besitzkarte in Deutschland als relativ hoch.
00:17:18: Die Regelungen wurden in vergangenen Jahren auch mehrmals verschärft. Anders als in Österreich.
00:17:24: Also das österreichische Waffenrecht ist im Vergleich zum Deutschen sehr, sehr liberal. In
00:17:28: Deutschland muss man zum Beispiel die Waffe und die Munition immer getrennt voneinander verwahren.
00:17:33: Das ist in Österreich nicht so. Ich kann eine Waffe geladen und entsichert in den Schrank
00:17:37: stellen. Das ist völlig erlaubt. Der Zugang zu Waffen in Österreich ist viel, viel einfacher als
00:17:43: in Deutschland auch, dass ich sie mit nach Hause nehmen darf. Ich glaube, sie sind in Deutschland
00:17:47: gar nicht so einfach. Wenn es um den privaten Waffenbesitz geht, liegt Österreich weltweit
00:17:52: gesehen auf dem 12. Platz. Das geht aus dem Recherche-Projekt Small Arms Survey 2017 hervor.
00:17:58: Die USA stehen da an erster Stelle. Deutschland belegt Platz 23. In Österreich kommen laut der
00:18:05: Studie 30 Schusswaffen auf 100 Einwohnerinnen und Einwohner. Wobei man bei solchen Statistiken
00:18:11: auch vorsichtig sein muss, meint unser Kollege Peter Zellinger. Wenn du jetzt zum Beispiel ein
00:18:16: Sportschütze bist, dann hast du ja nicht nur eine Waffe, sondern du hast ja mehrere, weil du
00:18:21: willst ja in verschiedenen Disziplinen teilnehmen. Dazu kommen noch die Gewehre von Jägern und
00:18:26: Jagdsport. Das ist in Österreich, laut unserem Kollegen, gerade voll im Aufwind. Da merkt man
00:18:31: auch, dass viele junge Leute die Jagd wieder für sich entdecken und aufgereifen. Und auch ein
00:18:38: Jäger braucht unterschiedliche Waffen. Also ein Jäger geht ja nicht mit einem Gewehr auf die Jagd.
00:18:42: Der hat ja unterschiedliche Flinden. Der hat unterschiedliche Büchsen für unterschiedliche
00:18:45: Wildarten. Das heißt also, die Zahlen an Privatwaffen in einem Land allein sagen jetzt
00:18:50: noch nicht alles über das Gefahrenpotenzial. Trotzdem. Die Debatte um ein strengeres Waffengesetz
00:18:55: in Österreich ist nicht neu. Und erst vor wenigen Wochen, Anfang Mai, ist sie auch wieder neu
00:19:01: aufgeflammt. Da hatte nämlich ein Mann seine Ex-Partnerin mit einer Schusswaffe auf offener
00:19:06: Straße getötet. Wir haben über diesen Femizid auch hier im Podcast gesprochen. Der Mann hatte
00:19:11: ebenfalls einen Waffenbesitzschein und konnte sich damit ganz legal eine Faustfeuerwaffe kaufen.
00:19:16: Die Grünen, die in Österreich ja in der Opposition sind, fordern seitdem regelmäßige
00:19:22: Verlässlichkeitsprüfung für Waffenbesitzer. Denn der Waffenbesitzschein gilt ja bislang
00:19:27: unbegrenzt, so wie ein Autoführerschein. Nach dem Amoklauf in Graz haben die Grünen ihre
00:19:32: Forderungen nach Verschärfung des Waffenrechts auch nochmal wiederholt. Und die kommunistische
00:19:37: Bürgermeisterin von Graz, LKK, fordert im ORF sogar ein grundsätzliches Verbot von privaten
00:19:43: Waffen. Ich finde das einfach. Waffenscheine zu schnell vergeben werden aus meiner Sicht gehörter
00:19:50: Waffenverbot. Für die Sicherheit und den Schutz und Waffen sollten nur unsere Exekutive tragen und
00:19:58: keine Privatpersonen. Das ist meine persönliche Meinung, die habe ich immer vertreten und das
00:20:04: überzeugt mich gerade, dass diese Situation erst recht. Österreichs Bundespräsident Alexander
00:20:09: van der Bellen wurde bei seiner Reise nach Graz von einer Journalistin ebenfalls nach dem Waffenrecht
00:20:14: gefragt. Gibt es neue Diskussionen zum Thema Waffenrecht? Das ist etwas, was gerade überall
00:20:19: diskutiert wird. Es wird ein bisschen vorgemacht, weil es sei zu liberal in Österreich. Was wird
00:20:23: da jetzt angestoßen seitens der Politik? Das werden wir uns sicher, also wir, also wenn sich
00:20:30: Politikerinnen und Politiker sowohl auf Bundeswehr, auf Landesebene mit Sicherheit anschauen. Ich habe
00:20:36: auch schon Medien entnummern, dass Österreich angeblich ein liberales Waffenrecht hat. Aber
00:20:41: unabhängig von dieser Frage, wie können wir die Wahrscheinlichkeit solcher Morde in Zukunft
00:20:49: verhindern? Mein Kollege Peter Zellinger vom Standard hält es für sinnvoll, zumindest die
00:20:55: Anforderungen für Waffen aus der Kategorie C, also Flinden oder Kleinkaliber, anzuheben, damit eben
00:21:01: nicht mehr jeder in Österreich über 18 so einfach an Schusswaffen kommt. Ob es jetzt die
00:21:06: allein gültige Lösung ist, das traue ich mir jetzt so kurz nach den Ereignissen von Graz eigentlich,
00:21:10: nicht zu beurteilen. Ja, es ist eine Möglichkeit, ob es die allein gültige letzte Weisheit ist,
00:21:16: traue ich mir jetzt wirklich nicht beurteilen. Die rechtsradikale FPÖ ist grundsätzlich
00:21:23: gegen Verschärfungen des Waffenrechts. Die Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und NEOS halten
00:21:29: sich bislang zurück, zumindest ist es der Stand bei Redaktionsschluss. Wir können aber ziemlich
00:21:33: sicher davon ausgehen, dass die Debatte in Österreich noch weitergeht. Etwas anderes wird in den Tagen
00:21:46: nach dem Amoklauf aber auch diskutiert und das ist die mediale Berichterstattung. Einige Medienvertreter,
00:21:52: österreichische, aber auch ausländische sind direkt nach der Tat zum Haus des Amokläufer gefahren,
00:21:58: um dort mit seiner Mutter zu sprechen. Meine Kollegin Colette Schmidt vom Standard sieht
00:22:03: es ziemlich kritisch. Also das finde ich ist nicht unser Berufsstandeswürdig. Ich sage nicht,
00:22:09: dass wir nicht ab sofort investigativ arbeiten müssen, was denn da los war. Ich finde es sehr
00:22:15: interessant oder wichtig, einfach absolut wichtig zu erfahren, woher der weltanschaulich
00:22:20: ideologisch kommt, ob er sich irgendwo radikalisiert hat, weil das wäre dann ein Teich, den man
00:22:25: vielleicht trockenlegen sollte, wenn junge Männer sich dort so radikalisieren. Das wissen wir alles
00:22:30: noch nicht. Ich glaube nicht, dass man das erfährt, wenn man bei einer trauernden, geschockten Mutter,
00:22:35: die das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, nämlich sein Kind zu verlieren, gerade erlebt,
00:22:39: am gleichen Tag anklopft. Was meine Kollegin außerdem kritisiert, einige Medien haben auch Videos
00:22:45: von Augenzeugen veröffentlicht, die während des Amoklaufs in der Schule gefilmt haben. Man hört
00:22:51: darauf Schüsse und sieht panische Jugendliche um Herren. Ja, ich glaube, da muss ich nicht
00:22:55: das Journalistin reden, sondern als Mensch. Wer von uns würde, wenn wir selbst oder unsere Kinder,
00:23:00: unsere Geschwister, unsere Eltern in einer Situation in totaler Panik sind, nackte Todesangst,
00:23:06: irgendwo Rennen schreien, wer würde da gerne gefilmt werden? Ich muss dazu sagen, auch beim
00:23:10: Spiegel haben wir auf Instagram Ausschnitte aus einem Video veröffentlicht, das solche Szenen zeigt.
00:23:16: Ausländische Medien wie z.B. die New York Times haben das ebenfalls getan. Man erkennt auf den
00:23:21: Ausschnitten keine Gesichter. Aber das Video hat in den sozialen Medien viel Kritik ausgelöst und
00:23:27: auch bei uns in der Redaktion noch einmal zu einer Diskussion darüber geführt, wie man mit
00:23:31: solchem Videomaterial umgehen soll. Weil es ist bei Amokläufen oder Attentaten eben immer ein
00:23:37: ziemlich schwieriger Grad zwischen Dokumentation und Voyeurismus. Auch ich als Journalistin habe
00:23:42: da keine abgeschlossene Meinung. Wie sieht ihr das? Schreibt mir das doch gerne in die Kommentare
00:23:47: bei Spotify, es würde mich wirklich interessieren. Wie lange es dauert, bis in Österreich wieder so
00:23:55: was wie Normalität einkärt, das wissen wir nicht. Zumindest passiert gerade etwas, dass in Österreich
00:24:01: sonst eher selten ist. Das Land steht eng zusammen, über parteipolitische Grenzen hinweg. In Graz
00:24:08: wird es wohl noch sehr lange dauern, bis die Stadt richtig heilen kann, glaubt meine Kollegin
00:24:13: Colette Schmidt. Wir wissen ja noch nicht alles, ich habe heute erfahren, dass die schwer verletzten
00:24:18: außer Lebensgefahr sind. Gott sei Dank, also das ist einmal etwas, aber wir werden sicher noch
00:24:22: viel erfahren, was uns noch einmal erschüttern wird. Ich glaube, das wird Jahre dauern, ganz ehrlich.
00:24:27: Für die Kinder und Jugendlichen am Borg- Gymnasium ist es natürlich besonders wichtig, dass sie
00:24:32: ausreichend psychologische Hilfe bekommen. Da gibt Graz und auch die Steuermarkt gerade alles, was sie
00:24:37: zur Verfügung haben, ob das genug ist, ist die Frage. Wir wissen ja alle, dass man bei Psychotherapie
00:24:42: für Jugendliche gerade nicht gut aufgestellt sind, nicht gut genug in Österreich und dass wir immer
00:24:46: Plätze fehlen. Also vielleicht ist es wieder meinen Anlass auch dahin zu schauen. Und was das Waffengesetz
00:24:52: angeht, da werden wir mit "Inside Austria" auch ganz genau hinschauen, wie die Debatte weitergeht.
00:24:58: "Inside Austria" hören sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen, auf der standard.at und auf
00:25:09: spiegel.de. Wenn Ihnen unser Podcast gefällt und Sie uns noch nicht folgen, dann tun Sie das doch
00:25:14: gerne. Wir freuen uns auch wie immer über positive Bewertungen und wenn Sie uns weiter empfehlen,
00:25:19: das hilft uns sehr. Außerdem freuen wir uns auch über Kritik, Vorschläge oder Feedback zum Podcast
00:25:25: an insideaustria@spiegel.de oder an podcast@testandard.at. Unsere journalistische Arbeit können
00:25:31: Sie am besten mit einem Abonnement unterstützen. Alle Infos zu einem Standard-Abo finden Sie auf
00:25:36: abo.testandard.at. Und unsere Hörerinnen und Hörer können mit dem Rabatt-Code Standard 12 Wochen
00:25:42: das Angebot von Spiegel Plus für nur 1 Euro pro Woche testen. Alle Infos dazu finden Sie auf
00:25:47: spiegel.de/testandard. Danke fürs Zuhören, allen die auch hinter den Kulissen an diesem Podcast
00:25:53: mitwirken. Das waren diesmal Daniel Rechitzegger, Tom Henry Busch, Benjamin Braden, Schold Werhelm
00:25:58: und Christoph Neuwirt. Ich bin Lucia Heisterkamp und sage diesmal tschüss und baba.